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Full text: 48, 1929/1930

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 48. Bd. Nr. 1. 
(28) Es darf bei der Kritik der Vincentschen Formel nicht vergessen werden, daß der Wärme 
verlust bei kleinen Windstärken schon ein relativ großer ist und bei steigenden Windstärken verhält 
nismäßig geringer wird. Physiologisch betrachtet dürfte sogar bei sehr hohen Windstärken durch Hy 
perämie eine Erhöhung der Hauttemperatur eintret en. 
(29) Selbstverständlich darf die Haut nicht immer als feuchtes Thermometer 
betrachtet werden. Dies ist annähernd richtig, solange Transpiration herrscht, aber keineswegs 
bei Perspiration und noch weniger, wenn in absoluten Trockengebieten die Haut gänzlich austrocknet. 
Bei experimentellen Untersuchungen dürfen diese Bedingungen nicht außer Acht gelassen werden. 
Wie weit die Trockenheit der Haut gehen kann, wurde in dieser Arbeit bereits angedeutet (elek 
trische Aufladungen). Andererseits ist in Tropengebieten die feuchte Haut eine ständige Erscheinung 
(vergl. auch Hann, „Einschränkende Bemerkung“, Handb. d. Klimatol. I., p. 59). 
(30) Die Bekleidung sinkt bei europäischen Kindern bis auf 30% und bei Naturvölkern auf 0%, 
während Bewohner anderer Erdgebiete (Wüste und arktische Regionen) annähernd 100 % des Körpers 
bedecken. 
(31) Die Werte nach der zweiten Vincentschen Formel sind offenbar zu extreme. Bei starker Wind 
bewegung und niedriger Temperatur gibt die ältere Formel ganz entschieden befriedigendere Resultate. 
Es ist zu betonen, daß bei nacktem Körper in mittleren Breiten schon bei 15° ein Gefühl der Kühle 
auftritt und bei 11° ein entschiedenes Gefühl der Kälte, während bei 36° die Temperaturverhältnisse 
noch angenehme sind. 
(32) Je niedriger die Außentemperatur ist, umso größer ist bei bekleidetem Körper der Unterschied 
zwischen dieser und den unbedeckten Teilen, ein Beweis, wie wenig das Außenklima das Klima unter 
der Kleidung beeinflußt : gute Bekleidung bewirkt auch eine Temperaturerhöhung der unbedeckten Teile. 
(33) Wir haben bisher nur einen anthropologischen Austrocknungswert, den für die Haut, in 
Betracht gezogen. In Wirklichkeit müßten wir einen zweiten, ebenso wichtigen 
für die Wasserabgabe durch die Lungen, überhaupt für die Atmungsorgane 
auf stellen (in der Einleitung wurde bereits von der Wirkung der Austrocknung in dieser Hinsicht 
gesprochen). Bei der Errechnung eines solchen Wertes könnte eine Oberflächentemperatur von 37° 
angenommen werden. Diese Temperatur wäre konstant, da die Windgeschwindigkeit für die einge 
atmete Luft kaum irgend welche Bedeutung hat. Die Wasserabgabe würde also für diesen Wert von 
dem Wasserdampfgehalt der Luft abhängen. (Vergl. Hann, Handb. d. Klimatol. 1911, I. p. 47). 
Es handelt sich um folgenden Prozeß: Die Luft dringt zunächst in die Vorhöfe der Respirations 
organe, d. h. in die Nase (indirekter Weg) und in die Mundhöhle (direkter Weg). In diesen Vorhöfen 
herrscht tatsächlich, bei geschlossenem Munde und Ausatmung, eine konstante Temperatur und der 
Zustand der Sättigung; nicht allein als Folge der Wasserabgabe durch die Lungen, sondern auch in 
folge der Sekretion durch die Schleimhäute. Wenn wir also eine Temperatur von 37° einatmen, so 
ändern sich die thermischen Bedingungen in den Respirationsorganen nicht. Atmen wir aber kalte 
Luft ein, oder jedenfalls Luft von weniger als 37°, so tritt eine ziemlich plötzliche Abkühlung an den 
Schleimhäuten der Vorhöfe ein, eine Abkühlung, welche wir auch tatsächlich fühlen, zum mindesten, 
wenn die Außentemperatur sehr niedrig ist. Der Zustand der Sättigung kann ebenso wenig für eine 
längere Zeit bestehen bleiben. Es wird eine Mischung von feuchtigkeitsarmer Außenluft und gesättig 
ter Luft in der Mundhöhle entstehen (wenn wir der Einfachheit halber nur die direkte Atmung durch 
den Mund betrachten). 
Da die Wasserabgabe bei höherer Oberflächentemperatur größer ist, wird sie bei Einatmung von 
Luft von etwa 37° größer sein als bei geringerer Außentemperatur, ebenso wird die Wasserabgabe um 
so größer sein, je trockner die Außenluft, und um so geringer, je feuchter sie ist. 
Jedenfalls gelangt infolge der Regulierung der klimatischen Bedingungen in den Vorhöfen die 
Luft bereits erwärmt und wasserdampfbeladen in die Lungen, so daß diese wichtigen Organe gegen
	        
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