Werner W r a <i e : Das Wattenmeer zwischen I rischen und Fricdrichskoojg.
Einleitung.
Seltsam ist die Tatsache, daß unmittelbar neben der Kulturlandschaft der Marschen sich die wilde
Naturlandschaft des Wattenmeeres erstreckt. Das ist für den Geographen und Geologen um so bedeut
samer, weil er sozusagen vor der Tür die Wirkungen der Elemente in einem Gebiet studieren kann, in
dem die störenden Einwirkungen des Menschen fast oder ganz fehlen. Bisher hatte ich Gelegenheit, das
Watt in der Umgebung der nordfriesischen Inseln, das Neuwerker und Neufelder Watt und das Fluß
watt der Niederelbe kennen zu lernen. Das waren aber meist isolierte Teile gewesen, die über den
Aufbau der Gesamt! and Schaft nur wenig aussagten. Ich faßte deshalb den Entschluß, einmal einen Aus
schnitt vom festen Lande bis in das Gebiet der Aufiensände hinein näher zu untersuchen. Ein derartiger
„Querschnitt“ versprach interessante Ergebnisse. Die große Wattzunge der Marner Plate, die sich von
Friedrichskoog in Dithmarschen nach Westen in die See hinaus erstreckt und in ihrem Randgebiet die
neu entstandene Düneninsel I rischen trägt, schien mir zu diesem Zweck am geeignetsten.
Im April 1929 besuchte ich I rischen, nachdem ich vom Domänen-Rent- und Bauamt Marne die Erlaubnis
dazu erhalten hatte (das Landen und Betreten ist verboten, da Irischen "VogelSchutzgebiet ist). Ich be
nutzte zu dieser Wattenmeerfahrt, wie schon früher, ein Faltboot, das sich wegen seiner Leichtigkeit,
seines geringen Tiefganges und seiner Seetüchtigkeit besonders dazu eignet.
Diese Fahrt bestätigte mir meine Vermutungen. Im August 1929 unternahm ich daher eine zweite
Fahrt, um das Gebiet nun etwas genauer zu betrachten. Die Zeit vom 3. bis 17. August, die ich im Watten
meer weilte, brachte mir reiches Material, obwohl die meisten Beobachtungen nur zur Ebbezeit gemacht
werden konnten. Aus eben erwähnten Gründen benutzte ich wiederum ein Faltboot, und zwar einen
alten Klepper-Einsitzer von X m Länge. 0.75 m Breite und 0.10 m Tiefgang. Das hatte weiter den Vorteil,
daß ich schon während eines ziemlich hohen Wasserstandes in ein Wattgebiet fahren konnte, dort
während der Ebbe arbeiten und die Flut ruhig abwarten konnte.
Ans der Kartenskizze 1 geht hervor.in welcher Weise und wieweit ich in dasGebiet eingedrungen bin.
Am gründlichsten konnte ich naturgemäß die Umgebung der Trischener Schwemmsandplate und der
Friedrichskooger Halbinsel auf Fußwanderungen durchstreifen.
Außer einer Fahrt in einem offenen, kleinen Fischerboot im Flackstrom benutzte ich zu den übrigen
Untersuchungen das Faltboot. Ich mußte mich selbstverständlich in der Nähe der großen Wattströme
halten, um bei aufkommendem Unwetter in kürzester Zeit das Fahrwasser erreichen zu können. Ich hatte
bei niedrigem Wasserstand im allgemeinen durch die Wattrücken Schutz, wenn der Wind etwas stärker
wehte. Die eingeschobenen Untersuchungen am Lande nahm ich möglichst bei fallendem Wasser vor. Ith
trug das leichte Boot ein Stück auf die Wnttflädie hinauf und entfernte mich etwa so weit von ihm, daß
ich es noch gerade erkennen konnte. Nur. wenn eine besonders interessante Oberflächen Torrn midi an
lockte, kam es vor. daß idi es audi für einige Zeit aus den Augen verlor. Eine Ausnahme macht hier
von die Fahrt mit dem Fischerboot, die etwa bis zur Mitte des Nordufers der Marner Plate ging (Karten
skizze 1 bei A). Von der Landungsstelle besuchte idi zunächst mit dem Fischer einige ..Löcher“ im Inneren
der Marner Plate (Kartenskizze 1 bei B). Dann unternahm ich allein eine längere Fußwanderung nach
NW am Ufer des Flackstroms entlang, bis idi mit dem Glas das Gebiet um. die äußersten Pricken unter
scheiden konnte, das idi schon von 1 risdien ans untersucht hatte. Auf diesem Wege mußte idi mehrere
tiefe Priele durchwaten, von denen der eine bei meiner Rückkehr derartig angesdiwollen war, daß ich
einen großen Umweg machen mußte (siehe Kartenskizze 1 bei C). Bei dieser Wanderung war während
der größten Zeit das Fischerfahrzeug selbst mit dem Glas nicht mehr zu erkennen.
In der Nähe von I rischen und der Halbinsel Friedrichskoog wagte ich es auch, die Flut abzuwarten.
Ich untersuchte das Watt vor der Linie der anrückenden Flut und ließ mein Boot frei treiben. Wenn es
zu sehr von der Richtung abwich, treidelte ich es watend eine Zeitlang. Auf diese Weise überquerte ich
die Marner Plate hinter Trisdien und das Hohe E T fer (Kartenskizze i bei D und E).