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W. Ernst. H. Seilkopf: Meteorologische Beobachtungen des Las Palmas-Fluges.
III. Meteorologischer Reisebericht.
1. Flug Pisa — Cadiz.
Der Start zu der ersten Etappe des Langstreckenfluges erfolgte am 28. Juni 1928 um 04,38 Uhr. Es
wurde zunächst direkter Kurs auf Mar Menor genommen, Entfernung 594 Sm = 1100 km. Auf dem
Arno war der Wind östlich, also noch nächtlicher Landwind durch das Abströmen der durch nächtliche
Ausstrahlung erkalteten Luft vom Lande. Auf See dagegen herrschte WSW 4, Seegang 3, der bereits
in kurzem Abstand von der Küste einsetzte. Dieser westliche Wind wehte auf der Südseite eines flachen
Tiefdruckgebietes über dem Golf von Genua, dessen Kern 762 mm Luftdruck aufwies. Bei Wetterlagen,
die über Frankreich und Norditalien eine Nordwestströmung bedingen, und bei denen kältere Luftmassen
südostwärts strömen, bilden sich sehr häufig über dem Golf von Genua Tiefdruckgebiete aus, die als
„Genua-Zyklonen“ bekannt sind. (Siehe Tafelbeilage, Karte 2).
Um 05.20 Uhr wurde Cap Corse, um 05.58 Uhr Cap Revellata auf der Insel Korsika passiert, und
zwar das erstere in einem Abstande von 2 Sm, das letztere in 10 Sm Entfernung. Beide Caps springen
steil und scharf aus dem Meere heraus. Im Inneren steigen die Gebirge rasch an; südlich von Cap Corse
werden bald 1300, binnenwärts von Cap Revellata sogar 2000 m Höhe erreicht. Beim Vorüberfliegen an
beiden Caps in niedriger Flughöhe nahmen Wind und Seegang jedesmal vorübergehend zu, während
zwischen beiden Caps sehr erhebliches Abflauen des in diesen Abschnitten westsüdwestlichen Windes
festzustellen war. Diese Windänderung, die sich noch im Abstande von 10 Sm von der Küste bemerk
bar machte, ist auf die Ablenkung der Luftströmung an den Caps zurückzuführen: Die Stromlinien der
Luftströmung werden an den Caps beim Umströmen zusammengedrängt, so daß infolge des verringerten
Querschnitts der Strömung höhere Geschwindigkeit resultiert. In der Bucht zwischen den Caps treten
dagegen die Stromlinien auseinander und lassen
die Geschwindigkeit abnehmen, wie die Beobachtung
des Abflauens zeigt. Bei dem scharfen Vorspringen
der Caps in die Strömung und dem Ansteigen der
Gebirge im Innern ist eine derartige, örtlich bedingte
Änderung des Stromfeldes in den untersten Luft
schichten verständlich, die Abb. 2 ganz schematisch
zu erläutern sucht. In der Skizze gibt der gegen
seitige Abstand der Stromlinien einen Maßstab für
die Geschwindigkeit: Je gedrängter die Stromlinien
liegen, desto größer ist im gleichen Querschnitt
die Geschwindigkeit. Unmittelbar unter der Luv
küste ist Randwirbelbildung angenommen. Um das
Strömungsbild mit Rücksicht auf die Verwendung
des Flugberichtes in der Luftfahrt abzurunden, ist —
nicht nach Beobachtungen dieses Fluges, sondern
in Analogie zu anderen Küstenbeohachtungen —
durch gestrichelte Stromlinien angedeutet, daß öst
lich der Insel sich Stromlinien aus einem höheren Niveau bis in die Nähe der Meeresoberfläche senken
und in Lee eine Zone mit Leewirbeln oder mit ungeordneter Strömung erzeugen.
Mit dem Ablaufen von Korsika drehte der Wind über W nach NW und frischte bald auf. Um
07.00 Uhr erreichte er seine größte Geschwindigkeit mit 20—25 m/sec. Die Geschwindigkeit der Maschine