Aerologiselie ii. Hydrographische Beobacht, der deutsch. Marines tat. währ. d. Kriegszeit 1914—1918. — 1925. Heit 2. 15
In der Tabelle S. 13 sind die in dem dreijährigen Zeiträume tatsächlich vorgekommenen Extreme
und die bei der Ableitung der Abhängigkeit vom Mondalter festgestellten mittleren Grenzwerte, wie
sie auf S. 4, 6 und 7 gegeben sind, einander gegenübergestellt. Diese Zahlen zeigen auf das über
zeugendste, daß die tatsächlichen Steig- und Falldauern usw. außerordentlich von den mittleren Werten
abweichen können. Im Mittel schwankt während eines halben Mondumlaufes die Steigdauer nur um 21,
die Falldauer nur um 9 Minuten, die absoluten Extreme haben Differenzen von 160 und 195 Minuten!
Wie sehr hier meteorologische Einflüsse von Bedeutung sind, zeigt Tabelle 9, in der die Häufig
keit der Hochwasserstände über 4.50 m und der Niedrigwasserstände unter 0.00 in angegeben ist, das
ist mit sehr großer Annäherung die Häufigkeit des Vorkommens der Hoch- und Niedrigwasser
höhen jenseits der bei Untersuchung der Abhängigkeit vom Mondalter festgestellten Mittelwerte zur
Springzeit (vergl. Tab. 4).
Von den während der drei Beobachtungsjahre vorgekommenen rund 4000 Hoch- und Niedrig wassern
waren in Ostende rund 900 höher bezw. niedriger als die im Mittel für Springzeit gültigen Werte.
Dies zeigt schon, daß die Abweichungen vom Mittel recht häufig sind, obgleich nur die Häufigkeit der
Werte jenseits der Springzeitmittel betrachtet sind. Die geringeren Abweichungen sind z. T. durch
astronomische Ursachen bedingt. Daß die extremen Hoch- und Niedrig wasserwerte aber wesentlich auf
die Witterungsverhältnisse zurückzuführen sind, zeigt die Abhängigkeit der Häufigkeit von der Jahres
zeit. Die größten Abweichungen fallen auf die Wintermonate. Im April, Mai, Juni, Juli, den Monaten
mit der geringsten Luftbewegung sind auch die Abweichungen am wenigsten zahlreich und am kleinsten.
Einige ausgewählte typische Einzelfälle seien im folgenden eingehender betrachtet. Dabei konnte
mehrfach die Gestalt der gleichzeitigen Tidenkurven auch an der holländischen Küste betrachtet werden,
da das holländische Reichswasserbauamt im Haag die halbstündlichen und die extremen Wasserstände
von Vlissingen, Hoek van Holland und Helder für die gewünschten Tage in entgegenkommendster
Weise zur Verfügung gestellt hatte.
b. Fälle starker Abtrift, darunter der niedrigste festgestellte m i 111 e r e
Wasser stand (29. bis 30. Oktober 1917*).
In den letzten Tagen des Oktober 1917 bestand nördlich von Schottland und westlich von Norwegen
niedriger, über Frankreich und Nordwestdeutschland höherer Luftdruck. Über der ganzen Nordsee
herrschten infolgedessen südliche Winde. An der flandrischen Küste drehte der Wind am 29. 10. mor
gens zwischen 3 und 5 Uhr von West auf Süd und blieb so bis zum 31. 10. 7 h V. Die zunächst
schwachen Südwinde frischten am Vormittag des 30. Okt. auf bis 6 Beaufort, ebenfalls an der holländi
schen und deutschen Küste, vermutlich also über dem ganzen Gebiet der Hoofden und südlichsten
Nordsee.
Der mittlere Wasserstand war in der gleichen Zeit niedriger als normal und fiel, wie Tafel 2, Nr. 7
zeigt, ständig bis ungefähr zu dem Zeitpunkte, wo die Südwinde ihren stärksten Einfluß ausübten. Vom
29. 10. abends bis 30. 10. abends war der mittlere Wasserstand am niedrigsten, in Ostende mit 1.52 m,
in Zeebrügge mit 1.60 m, der mittlere Wasser st and war also in Ostende 62 cm und
in Z e e b r ü g g e 59 cm unter den für Oktober festgestellten dreijährigen Mittel-
werten (vergl. Tabelle 3 in Heft IS. 10/11). Das ist die stärkste Senkung des mittleren
Wasser Standes während eines Doppeltidenzeitraumes, die an der flandri
schen Küste von 1915 bis 1918 vor gekommen ist.
') In Heft I, S. 14, Zeile 8 von oben steht infolge eines Druckfehlers 1916, dies ist auf 1917 zu berichtigen.