30 Aerologische u. hydrographische Beobachtung, d. deutsch. Marinestat. während der Kriegszeit 1914—1918. — Heft 4.
Schichten, die wohl eine Mischung der darunter und darüber liegenden Luftmassen verhindern, aber
in sich in ungeordneter Bewegung sind. Darauf deuten die unregelmäßigen Vibrationen hin, die im
Thermogramm auftreten, wenn man einen Drachen in einer Inversion stehen läßt, und keineswegs
immer durch Helmholtzsche Luftwogen zustande kommen. Ich habe bereits darauf früher in den Ver
öffentlichungen des Aeronautischen Observatoriums hingewiesen 1 ). Bei Bodeninversionen, also beson
ders nachts, liegt eine turbulente Schicht meist an der oberen Grenze der Inversion resp. des Nebels, wie
das Verhalten der Drachen und Fesselballons zeigt.
Eine Hauptursache der Turbulenz kann die frei werdende Dampfwärme im Kondensationsniveau
der Wolken sein. Es wurde bereits gezeigt, daß besonders in der Schicht der Fraktus-Formen (fr-ni,
fr-cu, fr-st), aber auch an der unteren Grenze und in geschlossenen Wolkenschichten, turbulente
Bewegung herrscht. Bei Cumulusbewölkung wird die bei der Kondensation frei werdende Dampfwärme
örtlich begrenzte Luftsäulen und Massen zum Aufstieg bringen, und Wirbel und Schlieren bilden, sodaß
das Kondensationsniveau der Cumuli eine Schicht besonderer Böigkeit sein muß 2 ). Aber auch die ganze
Schicht bis herab zur Erdoberfläche wird durch die mit dem Winde wandernden Luftsäulen und
-Wirbel der Cumulusbildung böig sein. Die Cumuli selber werden die Böigkeit verstärken schon durch
ihre Schatten Wirkung, die eine ungleiche Strahlungsoberfläche am Boden schafft. Auf einige hierher
gehörende Erscheinungen werde ich an anderer Stelle näher eingehen, ebenso auf die Entstehung der
Fraktus-Formen.
Die Wolkenstruktur, resp. die Veränderlichkeit derselben, ist allgemein ein
guter Maßstab für den Grad der Turbulenz. Je größer die Veränderlichkeit der Wolkenmasse ist, um
so größer wird die Turbulenz sein. Beweise dafür liefern die Fr-Ni, aber auch die Cumuli und Böen
wolken.
Die Cirruswolken weisen ebenfalls durch ihre Form und die Struktur ihrer Fasermasse
häufig auf verschiedenartige Turbulenzzustände hin. Es ist bekannt, daß unter den Cirrusformen auf
fallende Wirbel- und Schlierenformen Vorkommen, und daß die feinere Textur sich oft außerordentlich
rasch verändert und umbildet. Bei Gelegenheit von Cirrusvisierungen drängte sich mir diese Erschei
nung der Beobachtung oft auf. Es wurde mit der Visiervorrichtung des Ballontheodoliten ein bestimmter
Wolkenpunkt anvisiert. Manchmal gelang es, denselben Punkt mehrere Minuten festzuhalten, in
anderen Fällen aber war die Wolke in so rascher Umbildung begriffen, daß ein bestimmter Punkt schon
nach 'A Minute verändert war. Hier sollte nur darauf hingewiesen werden, daß die innere Struktur der
Cirruswolken auf bestimmte Turbulenzzustände hinweist, deren Studium von Interesse ist.
Schließlich gaben im Felde noch die Geschoßsprengwolken bei Fliegerbeschießungen ein gutes
Bild des jeweiligen Turbulenzzustandes in höheren Schichten. Bei ruhig strömender Luft erhielten sich
diese kleinen Wölkchen vom Aussehen der fr-cu meist mehrere Minuten unverändert, während sie bei
böigem Wind sich rasch auflösten. Ich habe bereits an anderer Stelle 3 ) darüber berichtet.
Turbulenz und Schall.
Es ist hier von Interesse, auf die Rolle hinzuweisen, die die Turbulenz der Luft für die Akustik
spielt. Bei dem dauernden Aufenthalt in der Nähe der Front habe ich stets auf die Hörbarkeit des
Kanonendonners und der Einschläge geachtet. Es ist mir dabei oft die Abhängigkeit der Hörbarkeit des
Schalles von der Turbulenz aufgefallen, mehr als andere abnorme Schallerscheinungen, die auch
wegen der Nähe der Front kaum mit Sicherheit zu analysieren waren. Der Einfluß, den die Böigkeit
des Windes auf die Tragweite des Schalles hat, kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Bei sehr
*) Zur Iienntniss der Temperatminversionen: Erg. d. Arb. d. kg]. Pr. Aeron. Obs. 1912.
2 ) Audi von Fliegern wird allgemein bestätigt, daß in der Nähe fast aller Wolkenfonnen, ganz besonders der Carnuli, un
ruhige böige Luftbewegung herrscht.
’) Beobachtungen an Geschoßsprengwolken. Wetter 1919. Heft 1/2.