22 Aerologische u.. hydrographische Beobachtung, d. deutsch. Marinestat. während der Kriegszeit 1914—1918. — Heft 4.
Es hatte sich demnach die Struktur der Strömung, mit der zeitlichen Drehung des Windes
von SW nach WzN, ganz wesentlich geändert. Daß die Turbulenzschicht genau in der Höhe der
Cumuli begann, dürfte wohl kein Zufall sein, wenn es auch auffällt, (haß bei der wirbelfreien Strömung
beim Morgenaufstieg bereits Cumuli vorhanden waren.
Diese und ähnliche Registrierungen beweisen, daß in der freien Atmosphäre ziemlich scharf be
grenzte Schichten turbulenter Luftbewegung Vorkommen können.
Es lassen sich 2 Methoden zur Messung der Turbulenz ausbauen, die bei Drachenaufstiegen an
gewendet werden könnten. Im Anschluß an obige Eigentümlichkeiten der Registrierungen könnte man
daran denken, die durch Turbulenz hervorgerufene Vibration einer Metalllamelle oder -Membran regi
strieren zu lassen. Man erhielte so wenigstens ein qualitatives Maß der Turbulenz, und zwar würden auf
diesem Wege die Turbulenzelemente kleiner und kleinster Größenordnung gemessen werden können,
also die eigentliche „turbulente Struktur“. Diese Messungsmethode stößt natürlich im Drachen auf
große Schwierigkeiten, da quantitative Messungen sehr durch das Gieren und Vibrieren der Drachen,
vorzüglich unter der Wirkung der elastischen Fesselung gestört werden. Es wäre vor allem nötig, dazu
einen vollkommen starren Drachen, trotz der dadurch wieder entstehenden technischen Schwierigkeiten,
zu verwenden.
Die seither im Gebrauch befindlichen Registrierapparate für die Böigkeit (Gerdien, Steffens-
Hedde) sind im Drachen unmöglich zu benutzen. Sie messen auch vorzüglich nur die Böigkeit höherer
Größenordnung, die wechselnden Windstöße von größerer Dauer. Es entgehen ihnen die kleinsten
Vibrationen der Luftfäden, also das, was im physikalischen Sinne eigentlich unter Turbulenz ver
standen wird. Diese, die „molekulare Turbulenz,“ wie ich sie nennen möchte, ist aber mit der Turbulenz
höherer Ordnung nicht zu verwechseln, es ist auch nicht nötig, daß beide Formen mechanisch anein
ander gebunden sind.
Die Böigkeit oder Turbulenz höherer Größenordnung, wie man sie an den Schwankungen des
Drachen-Dynamometers beobachtet, ist leichter meßbar. Für qualitative Messungen im Drachen dürfte
schon eine mechanische Registrierung mit Hilfe einer Druckplatte genügen. Die Versuche und Berech
nungen, die ich darüber im Felde ausführte, waren erfolgversprechend. An Stelle des Flügelanemometers
setzte ich eine ebene Druckplatte — ein kugeliger Hohlköi’per aus Aluminiumblech wäre vielleicht vor
teilhafter gewesen — von 5 cm Durchmesser, die die Stöße des Windes mit Hilfe einer Federung direkt
auf einen Schreibhebel übertrug. Zur Unterdrückung der kleineren Vibrationen war eine Dämpfung
angewandt. Dies Instrument könnte bei besserem Ausbau das Flügel-Kontakt-Anemometer ganz ersetzen,
denn der Ausschlag der Schreibfeder gibt auch direkt die Windgeschwindigkeit an, während die raschen
Ausschläge die Turbulenz liefern. Selbst wenn der unstabile Zustand des Drachens eine quantitative
Messung ausschließen sollte, erhält man auf diese Weise doch qualitativ ein gutes Bild des Turbulenz
zustandes. Leider war es mir im Felde nicht möglich, die beiden beschriebenen Methoden weiter aus
zubauen und zu prüfen. Eine Prüfung könnte leicht in einem Windkanal erfolgen, in dem man durch
geeignete Vorrichtungen ruhige und turbulente Strömung erzeugen und darnach die Apparate studieren
könnte. Vielleicht tragen diese Beschreibungen dazu bei, daß ein Observatorium mit geeigneten Ein
richtungen die Probleme weiterverfolgt 1 ).
Besonders groß ist die Böigkeit bei zyklonaler Wetterlage. Die markantesten Turbulenzschichten
werden im Niveau der Fr-Ni-Wolken und der unteren Grenze geschlossener Nimbusdecken angetroffen.
Hier liegt auch meist das für zyklonale Witterung typische untere Windmaximum. In einer früheren
Arbeit habe ich bereits die aerologisohen Verhältnisse typisch zyklonaler Wetterlagen, besonders der
3 ) Es wäre an der Zeit, daß sich die Drachenstationen der Erforschung der Turbulenz der Atmosphäre energisch anneh
men. Daß dies nicht bereits früher geschehen ist, liegt an dem Programm der Drachenstationen, wobei die ganze Arbeit auf die
Ausführung der Termin an fsti ege verwendet wird, und keine Zeit für Spezialuntersuchungen bleibt. Diesen Mangel hat bereits R.
Assmann als Direktor des Observatoriums^Lindenberg schmerzlich empfunden. Im Felde konnte natürlich noch weniger an Ein
zeluntersuchungen gedacht werden, znmal da die Drachen unserer zu nahe an der Front befindlichen Station, die eigenen Flieger
stark gefährdeten.