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Full text: 47, 1920-1925 (1929)

20 Aerologfischc u. hydrographische Beobachtung, d. deutsch. Marinestat. während der Kriegszeit 1914—1918. — Heft 4. 
obachtung zahlreicher Drachenaufstiege findet man viele Abweichungen und lernt zwischen den ver 
schiedenen Turbulenzformen unterscheiden. Die turbulente Struktur des Windes, und die Bewegungs 
form, die man gewöhnlich „Böigkeit“ nennt, sind nicht unter allen Umständen identisch. Letztere be 
steht aus Wirbeln und Böen höherer Größenordnung, aus pulsierenden Änderungen des Windes nach 
Richtung und Geschwindigkeit, verbunden mit Vertikalbewegungen. 
Diese Turbulenzform tritt mit Vorliebe bei bestimmten aerologischen Zuständen auf, und zwar: 
I. In der Bodenschicht bis ca. 300 mllöhe. 
Hier ist die Turbulenz im allgemeinen am größten. Die Ursache ist die Reibung der strömenden 
Luftmassen an der festen Erdoberfläche und ihren Unebenheiten. Je größer letztere sind, um so größer 
werden auch die entstehenden Wirbel und Böen sein; über einer Ebene ist die Böigkeit bei gleicher 
Windgeschwindigkeit kleiner als über hügeligem, bergigem Gelände. Eine ähnliche Rolle spielt die 
abwechselnde Verteilung von Wäldern und Feldern etc. 
An der Küste liegen besonders eigenartige Verhältnisse vor. Der 3-jährige Aufenthalt an der 
flandrischen Küste hat mir besondere Anschauungen über die Böigkeit der von der offenen See 
wehenden Winde aufgedrängt. Es ist mir immer überraschend gewesen, wie außerordentlich böig die 
von See auf die Küste treffenden Westwinde waren, was sowohl das Verhalten der Drachen lehrte als 
auch direkte Messungen der Windgeschwindigkeit draußen auf dem flachen Strand bei Ebbe, weit weg 
von den Dünen, mit einem Morell’schen Anemotachometer. Die westlichen Winde, die meist der Rück 
seite der Depression entstammen, sind natürlich an sich als böig bekannt, aber man sollte doch er 
warten, daß die geringe Reibung des Windes über der See die Böigkeit verminderte. Im allgemeinen 
nimmt man an, daß die östlichen Winde böiger sind als die westlichen bei gleicher Geschwindigkeit. 
Für die flandrische Küste trifft dies aber sicher nicht zu. Dafür ist neuerdings auch ein direkter Be 
weis von A. Peppier 1 ) erbracht worden, der fand, daß die westlichen, vom Meere wehenden Winde bei 
gleicher Geschwindigkeit wesentlich böiger sind als die östlichen vom Lande wehenden Winde. Das 
Ergebnis ist abgeleitet aus den Registrierungen eines Steffens-Heddeschen Böenschreibers, der auf der 
Mole von Zeebriigge in durchaus einwandfreier Weise aufgestellt war. 
Die größere Böigkeit der von See wehenden Winde kann verschiedene Ursachen haben, ganz ab 
gesehen von der erwähnten größeren Turbulenz der westlichen Winde an sich. Einmal ist daran zu 
denken, daß gerade infolge der geringen Reibung über dem Meere einmal vorhandene Wirbel sich 
länger erhalten können, als über dem Festlande. 
Aber ich glaube, daß unsere Vorstellung von der geringeren Reibung über dem Meere auch einer 
Revision bedarf. Bei glatter, sehr schwach bewegter See — was an der flandrischen Küste übrigens 
sehr selten ist — wird die Reibung allerdings sehr gering sein. Aber der Reibungskoeffizient ändert 
sich mit dem Zustand der Meeresoberfläche. Bei hohem Seegang müssen gerade die Unebenheiten des 
Wasserspiegels, gebildet aus mächtigen Wellen von 10 m Höhe und mehr, für die darüberstreichenden 
Luftmassen eine Quelle der Turbulenz sein. Es werden sich Böen und Wirbel in der Luft bilden von 
ähnlicher Größenordnung als die Meereswellen, mit anderen Worten, die Böigkeit wird dem Grade nach 
vom Seegang abhängig sein. Für die Dynamik der untersten Luftschichten ist dabei von weiterer Be 
deutung, daß sich die Reibungsgröße mit dem Seegang dauernd ändert, also keine konstante ist. Direkte 
Beweise für diese Ansicht lassen sich allerdings schwer erbringen; vielleicht deutet die von A. Peppier 
gefundene größere Böigkeit der westlichen Winde auf diesen Einfluß hin. Leider sind die Beobachtungen 
über den Seegang nicht genau genug, andernfalls könnte man unschwer an den Registrierungen des 
Böenschreibers auf der Mole von Zeebrügge Beziehungen zwischen Turbulenz und Seegang nachweisen, 
um so mehr, da eine direkte Abhängigkeit von Windgeschwindigkeit und Seegang nicht besteht. 
(Dünung!) In den Fällen, wo sehr schwache Luftbewegung mit hohem Seegang zusammenfällt, müßte 
die Verstärkung der Turbulenz der Westwinde am auffallendsten sein. 
Eine weitere Ursache für die Entstehung der böigen Bodenschicht liegt in der Flächenreibung 
der mit wechselnder Geschwindigkeit und Richtung übereinander wehenden Luftschichten. Diese innere 
4) A. Peppier: Untersuchungen ¡¡her die Geschwindigkeit und Böigkeit des Windes. Wetter. 1918, Heft 11 12. S. 174.
	        
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