| () Aerologisehe u. Hydrographische Beobachtung-, d. deutsch. Marinestat. wäli rend der Kriegszeit 1914—1918. — Heft 3.
die Zusammenarbeit besser. Hätte die Leitung der Fliegerabwehr mit gefesselten Flugkörpern von
Anfang an in Händen eines Aerologen gelegen, dann hätte die Abwehr sicher weit mehr geleistet und vor
allem ökonomischer gearbeitet, d. h. mit viel geringeren Kosten. Ein Versuch, die Leitung in meine
Hände zu bekommen, scheiterte jedoch bei den in Frage kommenden Behörden.
Die Aufstiegstechnik. Die Eigenart des flandrischen Küsten-Klimas mit seinen häufigen
Stürmen und auffallend turbulenten Bodenwinden bereitete der Drachentechnik große Schwierigkeiten
und zwang wegen der Nähe des Meeres zu besonderer Vorsicht. Die am meisten gefährdete Richtung
war leider gerade die S bis SW-Richtung, bei der auf der Front heranrückender Depressionen sehr
starke Windzunahme in den unteren Luftschichten die Regel ist. Gelegentlich wurden bereits in
200 m Höhe Geschwindigkeiten von über 30 ms beobachtet, von einer Turbulenz, wie ich sie vom Linden
berger Observatorium nicht gewöhnt war. Es kam mir dies anfangs recht überraschend vor, bis ich
die Ursache in der eigenartigen turbulenten Windbewegung der Küste kennen lernte, wo beim Über
tritt der Luftströmungen von der See aufs Land sich eine turbulente Bodenschicht ausbildet, von der im
Kapitel „Windverhältnisse“ später ausführlicher die Rede sein wird. Diese Erscheinung erschwerte
die Aufstiege sehr und gab zu manchen Havarien Veranlassung. Wiederholt wurden selbst starke
Kastendrachen in dieser turbulenten Bodenschicht in der Luft zerdrückt. Schirmdrachen waren dabei
gar nicht zu gebrauchen, und auch die Großborsteler Flügeldrachen waren für diese Stürme zu schwach
und wurden „direktionslos“. Dieser Umstand zwang zum Bau besonders starker Sturmdrachen von
5 nr Größe, die aus dicken, ausgesuchten Leisten gebaut wurden, und bei denen durch Benutzung von
messingenen Eckblechen mit Ösen jede Durchbohrung der Leisten durch die Verspannungsdrähte ver
mieden wurde. Dieser von H. John konstruierte und vom Obermatrosen Muth mit Geschick gebaute Sturm
drachentyp bewährte sich sehr gut und hielt die schwersten Stürme aus. Um die Landung bei Sturm zu
erleichtern, wurde an der Hinterzelle eine ca. 100 m lange mit einem Bleigewicht beschwerte Fangleine
angebracht, die gleichzeitig in der Art eines Drachenschwanzes stabilisierend wirkte. Um große Appa
ratverluste zu vermeiden, wurden übrigens bei Sturm häufig Aufstiege ohne Meteorographen
ausgeführt und die Windwerte aus den Zügen abgeleitet, wie es vor Jahren schon vom Aeronautischen
Observatorium Lindenberg für die Zwecke der Luftschiffahrt eingeführt wurde. Die Schätzung der
Windwerte aus Zug und Stellung der Drachen ist für praktische Zwecke im allgemeinen genügend
genau, doch möchte ich auf einen Umstand hinweisen, der eventuell zu Fehlern geführt hat, wo er nicht
genügend beachtet worden ist. Die Funktion Windgeschwindigkeit und Zug, für die meist die
empirisch gewonnenen Werte des Aeronautischen Observatoriums benutzt wurden, gilt nur für die
dortige Drachenbauart und dieselbe Fesselungsart. Als man später zu abweichenden Drachentypen
überging und statt Gummifesselungen Federfesselungen benutzte, galt diese empirische Beziehung
nicht mehr. Eine Prüfung der Elastizitätsverhältnisse beider Fesselungsarten zeigte mir, daß beide
Fesselungen bei gleicher Belastung sich nicht gleichmäßig ausdehnen. Bei starken Zügen ist die Aus
dehnung der Gummifesselungen größer als die der Federfesselungen. Daher legen sich bei starkem
Winde die Drachen mit elastischer Federfesselung weniger flach in den Wind. Daraus ergibt sich,
daß bei beiden Fesselungen dieselbe Windstärke nicht denselben Zügen entspricht, und zwar wächst die
Differenz mit zunehmendem Zuge. Es wurde dadurch nötig, neue Kurven für die Beziehung zwischen
Zug und Windgeschwindigkeit empirisch abzuleiten.
Da wiederholt Abreißer in See verloren gingen, wurde auch versucht, schwimmfähige Drachen zu
bauen. Es geschah durch Aufnähen eines Wulstes von Kapokwolle in den Drachenstoff an der Rück
seite der Vorder- und Hinterzellen, was keine wesentliche Gewichtsvermehrung bedeutete. Da die
Meeresströmung an der flandrischen Küste von Ostende bis Holland überwiegend gegen die Küste ge
richtet ist, wären diese Schwimmdrachen nach kurzer Zeit an den Strand getrieben, oder doch von
Wachschiffen aufgefischt worden. Bei der Seltenheit der Abreißer konnten Erfahrungen darüber
jedoch nicht gesammelt werden. Die wenigen Abreißer fanden fast alle auf der Front von Depressionen
bei S—SW-Wind statt und fielen dicht am Strand in der Richtung gegen Zeebrügge nieder. Gelegent
lich kamen auch Drachenabbrenner vor, ohne daß immer ein Blitzschlag beobachtet wurde. Der Draht