8 Aerologisclic u. Hydrographische Beobacht, der deutsch. Mariuestat. währ. d. Kriegszeit 1914—1918. — 1920. Heft 1.
druck- und Windänderung sehr fein reagierende Größe bietet, bei dessen Verwendung die Voraus
berechnungen nicht herangezogen zu werden brauchen. Soll die Wirkung von Luftdruck und Wind
im mittleren Wasserstand rein zur Darstellung kommen, so muß ein von astronomischen Einflüssen
freier Mittelwasserstand der Bearbeitung zu Grunde liegen. Wird als Zeit, für die der mittlere Wasser
stand berechnet wird, der Zeitraum von 24 Stunden gewählt und die Rechnung fortlaufend durch
geführt, 6 ) so daß für jede Sonnenstunde ein Mittelwasserwert vorhanden ist, so entsteht eine Mirtel-
wasserkurve von der auf Tafel 1, Nr. 1 bezeichneten Form. An der Kurve fällt zunächst das starke
Ansteigen bis ziun Mittelwasserwert 2.64 m am 17./18. Juli auf, eine Folge der frischen bis steifen
W- bis NW-Winde zur annähernd gleichen Zeit. Außerdem aber zeigt die Kurve besonders an den
ruhigeren Tagen eine halbtägige Periode mit einer Amplitude von etwa 16 cm, die auch am 17. und
18. Juli trotz des Windstaus noch erkennbar ist. Diese halbtägigen Schwankungen sind auf die Bereoh-
nungsmetbode zurückzuführen, denn bei einer Zeitabgrenzung von 24 Stunden wird von Zeitraum zu
Zeitraum ein anderer Teil einer vollen Tide zur Mittelwasserberechnung benutzt, die tägliche Ungleich
heit also nicht ausgeschaltet.
Wenn ein Zeitraum von 25 Stunden zur Mittelwasserberechnung benutzt wird, erhält diese halb
tägige Periode zwar eine kleinere Amplitude, verschwindet aber nicht, da die Dauer der vollen Tide,
deren Mittel von 24 h50 m dem Zeitraum von 25 h recht nahe kommt, mit dem Mondalter stark
schwankt und zwar in Ostende im dreijährigen Mittel von 24h36m bis 25 h 14 m (vergl. Kurve 2).
Die störende halbtägige Periode schwindet völlig, wenn der Tidetag als Zeitabgrenzung gewählt wird
und das Mittel aus 24 Werten berechnet wird, die sich zu je sechs gleichmäßig über je eine der vier
Teiltiden verteilen 7 ). Da sich nun aber die zur Mittelbildung benutzten Wasser standshöben nur über
die einzelnen Teiltiden, d. h. von NW bis HW, bezw. von HW bis NW, gleichmäßig verteilen, wegen
der untereinander verschiedenen Steig- und Falldauer aber ungleichmäßig über die Doppeltide, d. h. von
NW über HW, NM 7 , HW bis NW, so entsteht die Frage, ob dieses von kurzperiodischen astrono
mischen Ursachen unbeeinflußte Mittel auch genügend genau den wahren mittleren Wasserstand der
vollen Tide darstellt. Würde die Gezeitenkurve durch eine reine Sinuskurve dargestellt, so würde das
aus bei Tidestunden abgelesenen Wasserstandswerten errechnete Mittel genau sein. An Flachküsten
und in Flußmündungen aber weicht die Tidekurve von der Sinuskurve erheblich ab, indem sie sich beim
Steigen des Wassers wesentlich über die Sinuskurve erhebt und die Steigdauer abnimmt, die Falldauer
aber wächst. Es ist daher von vornherein anzunehmen, daß in solchen Fällen das aus tidestündlichen
Werten errechnete Mittel einen zu hohen Wert liefert. Dies ist auch bei folgendem Beispiel der Fall.
1
N. W.
H. w.
Steigdauer
Std. Min.
Falldauer
Std. Min.
Wasserstandsmittel eines Tidetages:
Brunshausen
18. Juli 1916
10° Y
6 rt: ’ V
5
05
1. aus tidestündlichen Wasserständen
19. Juli 1916
läo N
1« v
6 10 N
4
50
7 15
7 30
errechnet: 2.01 m*)
2. durch planimetr. Ausmessung gewonnen: 1.91 m
*) nach der Formel h m = ^ (Vf q + h j -|- h g + ... • + h gg)
Hier ist das aus tidestündlichen Wasserstandswerten errechnete Mittel volle 10 cm zu hoch. Da infolge
des Schwankens der Steig- und Falldauer diese Differenz nicht konstant ist, sind in diesem Falle die
auf die genannte Weise errechneten Wasserstands werte für Betrachtung des Windstaus ungeeignet.
Bei Ostende und Zeebrügge ist ebenfalls die Steigdauer kürzer als die Falldauer, der Unterschied
ist aber bei diesen an einer Flachküste gelegenen Orten erheblich geringer als bei Brunshausen, das an
6 ) Wegen der in Betracht kommenden Formeln vergl. K. Hessen, Über die einheitliche Bearbeitung der Gezeiten
erscheinungen in der Deutschen Bucht. Annalen der Hydrographie «sw. 1913. S. 456.
7 ) K. Hessen, Der Gezeitenkurvenauswerter. Annalen der Hydrographie usw. 1913.