Dr. H. T h o r ade: Gezeitenuntersucli trugen in der Deutschen Bucht der Nordsee.
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ß d 22 h 10™ = 180°, so ist der Zeitunterschied der angenommenen Augenblicke „Spring“ und „Nipp“
gleich 180.7°, d. i. praktisch = 180°. Die beiden Zeitpunkte haben somit den richtigen Zeitabstand von
einander. Die Deklination des Mondes (s. die ausgezogene Linie in Taf. 2, Nr. 10) erreichte ihre
äußersten Werte am 5. VI., 18. VI. und 2. VII. Nach vorläufigen Ermittlungen 1 ) beträgt das „Alter“ der
täglichen Ungleichheit in der Deutschen Bucht 5—6 Tage.
Daher ist ein mittlerer Betrag der täglichen Ungleichheit zu erwarten hei den Beobachtungen vor
Büsum, bei Wester Till, für die Spring- und Nipptidenwerte, und ein geringer bei denen vor Langeoog.
Auch in den Wasserständen an den Pegeln (s. u. Tab. 2) kommt dieser Gang zum Ausdruck. Endlich
ist die Entfernung des Mondes von Bedeutung, und in Taf. 2, Nr. 10 ist daher durch die gestrichelte
Linie die Parallaxe angegeben. Das „Alter“ der paiallaktischen Tide beträgt nur 2—3 Tage 1 ), was be
wirkt, daß die Amplituden der Springzeit vergrößert, die der Nippzeit ein wenig verkleinert werden
sollten, daß also der Unterschied zwischen Spring- und Nipptide verstärkt sein sollte. Hinzu kommt
nach längeren Erfahrungen 1 ), daß der Tidenhub in der Deutschen Bucht einen ausgesprochenen jähr
lichen Gang hat mit einem Höchstwert im Juni. Wenn man aber Spring- und Nipptidenhub je um einen
gleichen Betrag vergrößert, so wird der relative Unterschied zwischen ihnen verringert, und ihr
prozentuales Verhältnis nähert sich der 100.
Das Wetter war während der ganzen Zeit, wie schon oben betont, sehr ruhig; es stand unter dem
Einflüsse des weit nach Europa hineinreichenden Azoren-Hochs, das nur zweimal (am 12. und 13. VI. und
vom 17.—-19. VI.) vorübergehend zurückgedrängt wurde. Der Wind erreichte in Helgoland, meistens aus
westlichen bis nördlichen Richtungen kommend, nur bisweilen den 5. Grad der Beaufortskala, und am
Eingänge der Nordsee, in Lerwick, blieb er meistens unterhalb der Stärke 4 (Taf. 1, Nr. 12), und der Luft
druck schwankte in Helgoland nur zwischen 740 und 760 mm.
Alle diese Ursachen konnten zwar kleine Abweichungen des Gezeitenverlaufs vom langjährigen
Mittel hervorrufen, sie aber nicht grundsätzlich stören. Leider besteht nicht die Möglichkeit, dies auch
an ihrer Wirkung auf die Strömungen nachzuweisen, da keine langjährigen Mittel aus dem Beobach
tungsgebiete zur Verfügung stehen, mit denen man die Junibeobachtungen vergleichen könnte. Um
aber doch die im Hinblick auf die Naturkräfte ausgesprochene Vermutung, daß der Gezeitenablauf
nicht weit vom normalen entfernt war, wenigstens teilweise zu erhärten, sei hier zurückgegriffen auf die
Wasser Standsaufzeichnungen der Pegel. Je größer das Gebiet ist, über die sich diese
erstrecken, um so eher wird ein Rückschluß auf den allgemeinen Gezeitencharakter und damit auch auf
die Strömungen erlaubt sein. Da die Hoch- und Niedrigwasserwerte vielleicht späteren Bearbeitern er
wünscht sind, um sie von anderen Gesichtspunkten aus zu untersuchen, sind sie in Tabelle 2 (Siehe
nächste Seite) abgedruckt.
Die Auswertung der Pegelbeobachtungen ergibt zunächst einen ziemlich ungestörten Verlauf des
Zeitunterschiedes zwischen Hochwasser in Helgoland und Monddurchgang in Greenwich (Taf. 2, Nr. 10, die
Skalenteile am unteren Rande bezeichnen den Monddurchgang in Greenwich). Sodann wurde auf den
Pegelbögen von Helgoland jeder Flut- und Ebbeschenkel in 6 gleiche Zeitabschnitte zerlegt, und aus den
entsprechenden Wasserständen der mittlere Wasserstand für Niedrigwasser, V« Flut, 7c Flut . . ., Hoch
wasser, V« Ebbe, 7c Ebbe . . . usw. berechnet; aus denselben Aufzeichnungen wurden die mittlere Steig
ernd Falldauer ermittelt, in je 6 Teile geteilt, und die zugehörigen Wasserstands-Mittel aufgetragen; die
so erhaltene Tidekurve, Tafel 2, Nr. 11, weicht von der mittleren Kurve der Gezeitentafeln (= die ge
strichelte Linie) nur unbedeutend ab, was wiederum für die Abwesenheit größerer Störungen spricht;
freilich mußte der mittlere Hub der Gezeitentafeln, 225 cm, auf 245 cm vergrößert werden, doch wich
die Steigdauer, 5 34 , nur unbedeutend vom langjährigen Mittel, 5 35 , ab; es ist zu vermuten, daß die auf
fällige Vergrößerung des mittleren Tidenhubs zum Teil durch die Erdnähe des Mondes (s. Taf. 2, Nr. 10)
hervorgerufen wurde, zum anderen Teile dem jährlichen Gange zuzuschreiben ist.
1 ) Mitteilung von Herrn Dr. Kanseltelbach.