W. Im ml er: Analytisch-geometrische Untersuchungen über die Azimutgleiche in der Merkatorkarte.
7
in der praktischen Nautik üblich ist, indirekte Methoden der Ortsbestimmung aufzusuchen, indem man
die gekrümmte Azimutgleiche durch ihre Tangente ersetzt und einen angenäherten Hilfspunkt in Rech
nung stellt. Dieser Punkt sei im folgenden gegißter Ort genannt und ist meist, wenn nicht bessere
Werte vorliegen, der Endpunkt der durch Koppelung erhaltenen Besteckrechnung. Dieser Ort wird der
Rechnung zugrunde gelegt und gefragt, um wieviel man von ihm fortzugehen hat, um auf einen Punkt
der Standlinie, in unserem Falle der Azimutgleiche zu gelangen. Dieser zuerst erhaltene Punkt der
Standlinie wird Leitpunkt genannt.
In der astronomischen Nautik, die ja bisher nur die Höhengleiche kannte, entwickelten sich
drei indirekte Methoden, die unter dem Namen Breitenmethode, Längenmethode und
Höhenmethode bekannt sind. Die Breitenmethode verlangt, die Breite zu bestimmen,
unter der die Standlinie vom Meridian des gegißten Ortes geschnitten wird. Die Längenmethode
verlangt, die Länge zu berechnen, unter der die Standlinie vom Breitenparallel des gegißten Ortes
geschnitten wird. Und die Höhenmethode schreibt endlich vor, unter Verwendung von Breite und
Länge des gegißten Ortes seinen Abstand von der Standlinie und dessen Richtung zu berechnen.
Welcher von diesen Wegen der zweckmäßigste ist, ergibt sich aus der Betrachtung der Fehler
gleichungen. Es zeigt sich, daß Breiten- und Längenmethode zwar richtigerweise immer Punkte der
Standlinie als Leitpunkte für ihre Konstruktion liefern, daß aber beide Methoden nur bestimmte Gel
tungsbereiche haben, die sich in dem Satze ausprechen, daß die Breitenmethode vorteilhaft ist, wenn
Beobachtungen in der Nähe des Meridians vorliegen, und die Längenmethode bei Beobachtungen in
der Nähe des ersten Vertikals, daß jede dieser Methoden aber mehr und mehr versagt, je mehr sie in
den Geltungsbereich der anderen Methode eindringt. Die Fehlergleichungen liefern in diesen Fällen die
Erkenntnis, daß ein Fehler in der Wahl des einen Elementes sich in unendlich großen Beträgen beim
andern Element auswirken kann.
Von diesen unendlich werdenden Fehlerauswirkungen ist die Höhenmethode frei. Sie ist eine
ausgesprochene Differentialmethode. Der gewonnene Leitpunkt liegt nicht auf der Höhengleiche selbst,
sondern zeigt Abstände von ihr in der Größe von Gliedern zweiter Ordnung. Die Eintragung der Rich
tung des Höhenunterschiedes in die Merkatorkarte geschieht unter Vernachlässigung eines Richtungs
unterschiedes in der Größe der Glieder erster Ordnung. Trotzdem hat sich diese Methode durchgesetzt,
weil die Maximalfehler, die ihr anhaften, bestimmte endliche Werte nicht überschreiten, oder wie es der
Praktiker auszudrücken pflegt, die Methode allgemein, d. h. ohne vorherige besondere Überlegung
brauchbar ist.
Dieselben Verhältnisse werden wir im folgenden bei der differentiellen Behandlung der Azimut
gleiche wiederfinden.
Auch bei ihr liegen die drei Methoden bereits ausgebildet vor. Sie mögen im folgenden nach dem
Vorgänge der astronomischen Nautik wieder Breiten- und Längenmethode, die dritte aber
Abstandsmethode genannt werden. Ihre mathematischen Grundlagen sind:
a) Breitenmethode: Die älteste Methode Wedemeyers 1924 gehört darunter. Auf sie ist
im folgenden nicht weiter zurückgegriffen, weil sie von der einfacheren Methode von v. Kobbe 1925
überholt ist. Durch Zerlegung des Dreiecks PGF erhält man die Formelgruppe (s. Fig. 1):
1) sin # = sin X COS Cp a
2) sin y = cotg a tg d- 3) tg x = cos X tg cp 0
4) <p = 90° — (x + y)
Damit ist ein Leitpunkt der Standlinie gewonnen und die Richtung ergibt sich, wenn man unter
Benutzung der Wedemeyersehen Formel den Winkel yj aus
5) tg y> z= sin cp tg X
an das Azimut a anträgt.
b) Längenmethode: Weil die Breitenmethode in der Nähe des Meridians der Funkbake weni
ger gute Resultate liefert, fügt v. Kobbe 1927 eine weitere Methode an, die das Problem umkehrt und