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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 45. Bd. Heft 1.
Im Gegensatz hierzu stehen die Blindlings-Vorhersagen. Koppen 21 ) versteht hierunter auf völlig
irriger Grundlage aufgebaute Wetter-Vorhersagen, die keine besseren Ergebnisse liefern, als wenn die
Vorhersagen völlig blindlings dem Zufall folgend aufgestellt wären.
Zwischen beiden Vorhersagen stehen die aus statistischen Erfahrungen abgeleiteten statistischen
Vorhersagen. Erwähnt seien nur nach Defant 22 ): 1. „Morgen ist das Wetter so wie heute.”
Diese Vorhersage beruht auf der immer wieder festzustellenden Neigung des Wetters zur Erhaltung
seines Zustandes, der Erhaltungsneigung des Wetters. Die Vorhersage erreicht nach Defant 22 ) mit
durchschnittlich etwa 70 recht erhebliche Trefferprozente. — 2. Die örtlichen Vorhersagen von St. Kalten-
brunner 23 ). Sie beruhen auf dem Grundsatz: „Auf gleiche Wetterfaktoren folgt wiederum
das gleiche Wetter, d. h. war einmal ein Tag schon da, der die gleichen wichtigsten Wetterfaktoren,
wie Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Windrichtung usw. ebenso aufwies, wie der heutige Tag, so wird mensch
licher Voraussicht und Wahrscheinlichkeit nach auch das Wetter des morgigen Tages wiederum das
gleiche werden, wie es jenes war, welches auf die damaligen gleichen Wetterfaktoren gefolgt ist.” Später
setzte Kaltenbrunner die Änderung des Luftdrucks von 7 bis 14 Uhr 23 ) anstelle der relativen Feuchtigkeit.
Als vierter Faktor ist das „Wetter” nach der Skala zu verwenden: 1 = heiter bis vorwiegend heiter (Be
wölkung 0 bis 2), 2 = halb heiter (Bewölkung 3 bis 5), 3 = wechselnd wolkig bis vorwiegend trüb (Be
wölkung 6 bis 8), 4 = größtenteils oder ganz bewölkt (Bewölkung 9 bis 10), 5 = regnerisches Wetter bzw.
Schneefall. — Hinzu nahm R. Schneider, Wien 24 ) für die Wintermonate noch 6 = trübes, nebliges Wetter.
Nach den Jahrbüchern der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ermittelte R. Schneider
für 14 Uhr jedes Tages der Station Wien aus 33 Wintern (Dezember bis Februar der Jahre 1880 bis
1914) und 46 Sommern (Juni bis August der Jahre 1870 bis 1915) diese 4 Wetterfaktoren und stellte
ihnen die Wetternummer des nächsten Tages gegenüber. Hieraus abgeleitete Tabellen benutzte er zur
Aufstellung täglicher Wetter-Vorher sagen für den nächsten Tag während der beiden Winter 1915/16
und 1916/17 wie den Sommer 1916 der Station Wien. Der Vergleich mit dem tatsächlichen Wetter ergab
nach der von ihm angegebenen Klassifizierung 82 Trefferprozente für die Vorhersagen der Bewölkung
und 76 für die der Niederschläge. Diesem günstigen Urteil von R. Schneider steht jedoch das ungünstige
gegenüber, daß sich A. Roschkott 25 ) über den Wert von Wetter-Vorhersagen für die Nordadria nach der
Kaltenbrunnerschen Methode gebildet hat. — 3. Ein dem Kaltenbrunnerschen ähnliches Verfahren
wandte B. Rolf 26 ) für tägliche Vorhersagen von Sommerregen in Schweden an. — 4. Oiement Ley 27 )
hatte vorgeschlagen, viele Tausende von Wetterkarten systematisch zu ordnen, um sie als eine Art
Wörterbuch zu verwenden. Jede Prognose sollte dann nur oder hauptsächlich in der Angabe einer be
stimmten Nummer dieses Nachschlagebuches bestehen, und daraus könnte jeder das vorhandene Wetter
übersehen und aus den nächstfolgenden Tagen auch das zu erwartende. Ob dieses Verfahren jemals
benutzt wurde, konnte nicht ermittelt werden; aber N. Ekholm hat an einem derartigen Wetter-Wörter-
buch gearbeitet. —• 5. Einen Wetterkartenindex als Hilfsmittel für die Wetter-Vorhersagen hatte sich
W. Keßlitz 28 ) in Pola angelegt, indem er die Wetterkarten von 15 Jahren nach der Lage der die Wetter
lage charakterisierenden Hochdruckgebiete nach Hauptgruppen ordnete und katalogisierte. Der Index
soll sich als Stütze für die Wetter-Vorhersage bewährt haben. — Diese 5 statistischen Wetter-Vorher
sagen ergeben recht erhebliche Trefferprozente; zum mindesten geben sie auf die Frage, ob irgend
ein meteorologisches Ereignis eintreten wird oder nicht, häufiger eine richtige als eine
falsche Antwort. Alle fünf würden im Köppenschen Sinne den Nullpunkt der Güte überschreiten,
was bei der Richtigkeit ihrer statistischen Grundlage nicht weiter erstaunlich ist. — 6. Ich füge hinzu
21) „Koppen“. S. 349.
22 ) Defant: Wetter nnd Wettervorhersage. Zweite Auflage. Leipzig und Wien 1926. S. 262 usw. und 231 usw.
23 ) „Met. Ztschr.“ 1917. S. 240.
2=) „Met. Ztschr.“ 1917 S. 240.
25 ) „Wetter“. Berlin. 1919. S. 183 bis 185.
2<> ) B. Rolf. Probabilité et prognostic des pluies d’été. Upsala. 1917.
27 ) „Met. Ztschr.“ 1904 S. 346.
28 ) „Met. Ztschr.“ 1905. S. 183.