92
Ans dem Archiv der Deutschen Seewarle. — Nr. 1. 1926.
Darin liegt weiter ein beträchtlicherer Gewinn für die Farmer beschlossen. 31 ) Denn der Durch
schnittspreis eines bushel (= 25 kg) Weizens könnte gut um 10 oents = 0,42 Mark erhöht werden. Bell
meint, daß durch diesen kleinen Aufschlag, -auch wenn nur l U der dm Nordwesten verfügbaren 200
Mhl. aeres = 80 936 ha — 809 936 qkm guten Weizenlandes durchschnittlich 20 bushel (500 kg) das
acre = 40.486 a hervor brächten, der jährliche Wert der Ernte um 100 Mill. Dollars = 420 Milk Mark
vermehrt würde, d. h. um eine Summe, mit der zu mäßigen Preisen jedes Jahr eine neue trans-konti
nentale Bahn gebaut werden könnte. Trotzdem wäre es nach Bach noch möglich, das bushel Getreide
in Europa etwa 60 Pfennige billiger zu verkaufen als bisher. In ähnlicher Weise würde bei den
Tieren pro Kopf ungefähr 3 1 = 61.30 Mark oder nach anderer Schätzung run'd 20 Prozent des Ver
kaufspreises gewonnen werden.
So könnten schließlich aus dem Innern Kanadas fünftens auch Waren, deren Transport sich auf
dem längeren Lorenzstromwege nicht lohnen würde, noch ¡mit gutem Erlös verschickt weiden.
An 6. Stelle ist der Hudsonbai-weg der Erhaltung der Güte -des Auszuführenden außerordentlich
dienlich. Viel Getreide, namentlich aus dem Saskatchewan- und dem Peace River-Tale, könnte noch
im Jahre der Ernte — die von der 2. Hälfte -dos August bis Anfang September währt — zur Ausfuhr
gelangen. Das kühlere und gleichmäßigere Klima erhält Getreide, frisches FMsch und lebendes Vieh
in bestem Zustande. Die Vorschriftsmaßragein, die -bei der Fahrt des sonst -durch seine Immunität,
gegen beinahe alle ansteckenden Krankheiten bekannten Viehs West- und Nordwestkanaiias in den
östlichen kanadischen Provinzen und noch mehr in der Union getroffen werden müssen, wären nicht
mehr erforderlich. Bei der kürzeren Bahnfahrt und der nur einmaligen Umladung fiale auch der
Fleischverlust des Viehs weg.
In völkischer, politischer Hinsicht ist endlich noch von erheblicher Wichtigkeit, daß der Hudson
baiweg infolge seiner nördlicheren Lage ein beträchtliche® Stück der Grenze der Union entrückt ist.
So könnte -auch der britische Auswandererstro-m, der jährlich auf dem Wege durch die Vereinigten
Staaten England verloren geht, Kanada zu Gute kommen. Im Kriegsfälle könnten sich Truppen
transporte ungestört durch den nahen Nachbarn vollziehen.
Doch neben den Vorzügen sind auch (die Mängel des Hudson ha i w- eg e s nicht zu verkennen. Am
schwersten wiegen ohne Zweifel die ungünstigen Eisverhältnisse -der Hudsonstraße, die eine nur kurze,
den Handel kaum lohnende Durchfahrtszeit bedingen. Seichtigkeit der wichtigsten Häfen -der West
küste, Kürze -ihrer Saison, Unzuverlässigkeit -des Kompasses kommen daneben selbstverständlich eben
falls in Frage.
Beide, die Vorteile und die Nachteile des Hudsonbaiwegs, wurden nun im Verlaufe der Entwick
lung des ganzen Problems, in den fünf Jahrzehnten von 1870 bis zur Gegenwart, leibhaft hin und her
erörtert: (die Vorteile vornehmlich von -den Fürsprechern, die Nachteile von den Gegnern. Denn die
Fürsprecher erkannten die unumgängliche Notwendigkeit eines neuen Handeisweges, die Gegner
sahen nur Konkurrenz und zogen die Möglichkeit der Ausführung des Planes in Zweifel.
Unter den Fürsprechern ragt vor allem Robert Bell hervor. Wie dieser Mann in ausgezeich
neter Weise zur Erforschung der natürlichen Verhältnisse des Hudsonmeers beigetragen, so hat er
auch bis am sein Lebensende (Sommer 1917) seine ganze Kraft für dieses jüngste wirtschaftliche Vor
haben eingesetzt. Mehrere seiner Schriften bezeichnen Marksteine in dessen Entwicklung. Auf geg
nerischer Seite stehen und standen in erster Linie alle die Kreise, deren wirtschaftliche Inter
essen -durch die Eröffnung eines neuen Ha-ndelsweges unmittelbar -gefährdet schienen: -die Hudsonhai
gesellschaft, die Kanadische Pazi fikbahn-GeselIschaft uni die K-aufleute der östlichen Provinzen. Die
Hudsonbaigesellschaft sträubte sich, ihr altes, verbrieftes, jederzeit eifersüchtig gehütetes Recht auf
das Hudsonmeergebiet anderen abzutreten bzw. mit ihnen zu teilen. Die Vertreter der Kanadischen
Pazifikbahn und, hinter ihnen stehend, die kanadische Regierung hielten es für unweise, einen kürze
31) The Scott. Geogr. Mag. 1912, S. 378.
Hainmann. Die Wirtschaft). Lage Kanadas. Berlin 1912, S. 37.