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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 44. Bd. Heft 3.
Das Hochdruckgebiet ist mithin im wesentlichen nicht durch den Einbruch kalter Luftmassen
in den unteren Luftschichten, sondern durch einen „primären“ Luftdruckanstieg in der Höhe bedingt.
Auch bei vielen anderen Baikalstürmen läßt sich nachweisen, daß der Luftdruckanstieg am Boden
auf der Rückseite des Sturmfeldes größtenteils durch Druckanstieg oder durch Kaltlufteinbruch in den
oberen Luftschichten entstanden ist. Als weiteres Beispiel dienen die Beobachtungen der Station
Olchon
vom 5.—7.
7
Mai
1%
1902 (nach
Jakhontows Tabellen):
13 h
21 b
5.
710.0
0.0
NNE 6
711.3 2.7
NNE 6
714.5
3.5
N 8
6.
714.8
0.7
NW 40
716.7 1.2
NW 40
720.0
0.1
NW 40
7.
723.2 -
-0.5
NW 40
723.6 2.5
NNW 18
723.8
2.6
NW 12
5./6.AP +4.8
Z^t +0.7
Z^p +5.4
Z\t —1.5
A.p +5.5
Z\t —3.4
G./7. Z\p +8.4
Z\t —1.2
Z^p +6.9
Z^t +1.3
z\p +3.8
/S. t +2.o
Auch hier trotz geringer, bald positiver, bald negativer Temperaturänderung starkes Steigen des
Luftdrucks. — Allgemein steht der Luftdruckanstieg in der Höhe im Zusammenhang mit dem Vor
stoß eines Hochdruckgebietes vom Altai her. Man kann sich vorstellen, daß der Vorübergang eines
Tiefdruckgebietes in Mittelsibirien in großen Höhen südliche bis südwestliche Luftströmungen ein
leitet, die Kaltluftmassen aus dem kalten Hochgebirge Innerasiens nordwärts und nordostwärts ver
frachten, und infolge orographischer Verhältnisse auf diese Weise gerade das Altaigebiet häufig zum
Ausgangspunkt primärer Druckanstiege wird.
Zusammenfassend kann man über die Baikalstürme sagen, daß sie an
den Vorübergang eines Tiefdruckgebietes oder Teiltiefs gebunden sind, auf
dessen Rückseite ein Hociidruckgetiet stark nachdrängt. In vielen Fällen
ist der Luftdruckanstieg auf der Rückseite durch Vorgänge in hohen At
mosphärenschichten („p rimä r“) bedingt, wobei die Möglichkeit besteht, daß
i,m Altai gebiet eine häufige Ausflußstelle kalter Luftmassen in der Höhe aus
H o ch asi e n ist. Die besonderen thermischen Verhältnisse der Luft über dem Baikalsee — relativ
warm im Herbst und Winter, relativ kalt im Sommer — greifen abändernd in den Ablauf der Strömungs
vorgänge des Sturmgebietes ein: Im Winter wird durch die Warmluft über dem See der Warmluft
körper des Sturmtiefs verstärkt, so daß es aus der Verschärfung der Temperaturgegensätze Energie
zuwachs erhält. Die Kaltluftmassen seiner Rückseite werden mit hoher Geschwindigkeit durch die
Täler der nordwestlichen Randgebirge gepreßt oder stürzen in heftigen Böen über die Gebirge hinweg
(Bora). Im Sommer bewirkt das Luftdruckgefälle auf der Vorderseite des Tiefs ein Absaugen des über
dem See lagernden Kaltluftkissens durch das Selenga- und Bargusintal nach Osten und Nordosten,
während die westliche bis nordwestliche Strömung der Rückseite beim Absinken von den Bergen auf
dem See sich dynamisch erwärmt (Föhn). Das Auftreten von Stürmen in der kälteren
wie in der wärmeren Jahreshälfte zeigt jedoch, daß die besonderen Tempera
turverhältnisse über dem Baikal, die Jakhontow und Johansen als die
wesentlichsten örtlichen Bedingungen für die Baikalstürme betrachten,
für die Ausbildung der Stürme dort von untergeordneter Bedeutung sind.
Viel wesentlicher ist der Höhenunterschied zwischen den umliegenden Ge
birgen und dem tiefeinschneidenden Graben des Baikal, der eine wesentliche
Senkung des Schwerpunktes einbrechender Kaltluftmassen und infolge
dessen eine erhebliche Zunahme der kinetischen Energie bedingt. Hinzu
kommt in zweit er Li nie der gewaltige Unterschied in den Reibungsverhält
nissen über den teilweise bewaldeten, ungleich erwärmten Gebirgszügen in
45 ) J. v. Hann n. R. Süring, Lehrbuch der Meteorologie, 3. Anti. 1915, S. 386.