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Full text: 44, 1927

Prof. Dr. Gustav Schwalbe: Heber Eisbildung und Eisabgang usw. 
Eisdecke gibt in der Mitte nach und verliert mit der Zeit ihren Zusammenhang mit den Ufern. 
Durch die frei gewordenen Gassen fließt das gestaute Wasser mit Heftigkeit hindurch. Dadurch 
wird, besonders, wenn sich unterhalb noch eine feste Eisdecke befindet, das Eis zu einer Eisversetzung 
zusammengeschoben, die oft von Grund aus das Flußbett ausfüllt und bedeutende Wassermengen 
stauen kann. Schneefall begünstigt das Entstehen von Eisverstopfungen und macht sie schließlich 
für das nachdringende Wasser undurchlässig. Anders bei Tauwetter mit hoher Wärme, wo durch 
schnelles Tauen von Schnee und Eis dem Strome viel größere Wassermengen zugeführt werden, die 
imstande sind, Eisversetzungen im Entstehen zu durchbrechen. Der Eisgang wird sodann durch 
ein Heben der Eisdecke infolge des unter ihr anschwellenden Wassers eingeleitet, was mit einem 
hörbaren Krach geschieht. Das Wasser steigt schnell und kann gefährliche Überschwemmungen ver 
ursachen. Zuweilen sind durch die Schollen schon Kähne zerdrückt und Deiche durchbrochen worden, 
wodurch das Land weithin überflutet wird. Im Februar 1909 erfolgte sogar verheerendes Hochwasser 
der Elbe in der Altmark inmitten einer Frostperiode Es hatte Anfang Februar einige Tage hindurch 
allgemeine Schneeschmelze und Tauwetter mit sehr starken Regenfällen geherrscht. Da die Nieder 
schläge im Oberlaufe besonders ergiebige waren, so schwoll das Wasser stark an. Das Tauwetter 
wurde sehr bald, noch ehe sich das Hochwasser im Mittel- und Unterlaufe bemerkbar machte, allge 
mein durch neuen Frost abgelöst. Die von oben herkommende Hoohwasserwelle erreichte erst nach 
Mitte Februar die Altmark, wo auf weiten Strecken Eisstand herrschte. Die Durchbrüche erklären 
sich durch die Gewalt des Wassers und des Eises bei dieser Wetterlage. Die Eisdecke wurde empor 
gehoben und durch von oben abtreibende Schollen noch vermehrt, wodurch gefährliche Eisverstopfun 
gen entstanden, welche die Wassermenge zwangen, sich einen anderen Ausweg zu suchen. 
In niederschlagsarmen Wintern, wo kein Hochwasser bei Tauwetter eintritt, findet allmähliches 
Auflösen der Eisstände statt. Die Dauer des Eisganges hängt von der Dauer der Eisversetzungen 
ab. Von wesentlichem Einfluß auf die Dauer der Eisstände ist in den letzten Jahrzehnten die Tätig 
keit der Eisbrecher gewesen; ihr ist es zu verdanken, daß im Tidegebiet der Elbe und Weser Eis 
stand zu einer Seltenheit geworden ist, so daß die Schiffahrt, wenn auch oft genug mit Schwierig 
keiten, meist aufrecht erhalten werden kann, während sie früher für längere Zeit oft gänzlich ge 
schlossen werden mußte, ferner wird durch die Tätigkeit der Eisbrecher die Dauer der Eisbedeckuug 
im Frühjahre nach strengen Wintern wesentlich abgekürzt, da die Eisbrecher sodann bis weit strom 
aufwärts, auch bis in die Nebenflüsse und Verbindungskanäle hinein, ihre Tätigkeit ausdehnen. Das 
Eis der Kanäle hält sieh sodann meist länger, als das Eis der Flüsse und kann zu gewissen Zeit 
punkten noch das letzte Hindernis für die Eröffnung der Schiffahrt in vollem Umfange bilden. 
In seiner Ai'beit: Über die Eisbildung und den Wärmehaushalt der Gewässer faßt Seifert die 
bisher auf Grund einer reichhaltigen Literatur gemachten Erfahrungen über die Eisbildung auf Ge 
wässern in folgenden Sätzen zusammen: 
„1. Zur Eisbildung in ruhendem und fließendem Wasser ist dessen Unterkühlung notwendig). 
Diese beträgt gewöhnlich nur geringe Bruchteile eines Grades. 
2. Ferner müssen Kristallisationskerne vorhanden sein. Als solche wirken neben Eis auch 
Schwebestoffe und das Flußbett. 
3. Die Wärmeabgabe von Wasser an die Luft erfolgt im wesentlichen im Wasserspiegel; sie 
muß durch tiefe Lufttemperatur, Wind, Verdunstung und Ausstrahlung von der Wasseroberfläche 
unterstützt sein, wenn die Eisbildung lebhaft sein soll- 
4. Im bewegten Wasser muß die Gesamtmasse auf etwa 0° abgekühlt sein, ehe die Eisbildung 
im Wasser und am Boden beginnt. 
5. Die Ausstrahlung vom Flußgrunde kommt für die Wärmeabgabe des Wassers gar nicht oder 
höchstens hei sehr geringen Wassertiefen, und zwar nur in strömendem Wasser, in Betracht.
	        
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