Alfred Wegener: Theorie der Haupthalos.
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Die Dispersion, worunter wir den Unterschied der Endrichtungen für Mitte des Rot und Mitte des
Violett im Minimum der Ablenkung verstehen wollen, hat beim brechenden Winkel von 60° den Betrag
44', beim brechenden Winkel von 90° dagegen 2 Ü 6'. Die durch letzteren erzeugten Halos zeichnen
sich daher durch ihre satten Farben aus.
3. Das System der Haupthalos.
Als naturgemäße Hauptgruppen ergeben sich die farbigen Brechungslialos und die weißen Spiegel
halos. Dazu käme noch die Gruppe solcher Halos, die auf kombinierter Spiegelung und Brechung
beruhen. Da alle Spiegelungs- und Brechungsvorgänge aber mit Lichtverlusten verbunden sind, werden
wir von dieser Gruppe nur die lichtstarksten zu den Haupthalos zählen dürfen. In der Tat sind aus ihr
nur wenige relativ seltene und lichtschwache Halos bekannt, und zwar sind dies solche, bei denen
der Strahlengang, abgesehen von der Spiegelung, gerade dem der häufigsten und lichtstarksten Brechungs
halos entspricht. Theoretisch muß diese Gruppe sehr reichhaltig sein.
Bei den reinen Brechungshalos stehen uns zur weiteren Einteilung zwei Einteilungsgründe zur Verfügung:
Die brechenden Winkel und die Orientierung der Hauptachse. Benutzen wir die brechenden Winkel,
so teilen wir dadurch die Brechungshalos in zwei Familien, deren Verwandtschaft besonders bei der Ableitung
der Theorie zutage tritt. Legen wir die Orientierung zugrunde, so fassen wir solche Halos zusammen,
die besonders häufig gleichzeitig auftreten, und zwar erhalten wir eine Gliederung nach Linienhalos,
Flächenhalos und Flächenhalos höherer Ordnung, je nachdem die Hauptachse vertikal steht, der Kristall
also nur eine Bewegungsfreiheit, die Rotation um diese Achse, besitzt, oder horizontal (zwei Bewegungs
freiheiten), oder in idealer Unordnung (alle drei Bewegungsfreiheiten).
Die Theorie der reinen Spiegelhalos läßt sich heute noch nicht mit derselben Sicherheit verifizieren,
wie die der Brechungshalos. Eine naturgemäße Teilung ergibt sich durch einmalige und zweimalige Spiegelung.
Die einmalige Spiegelung ist im allgemeinen eine äußere, doch kann eine innere hinzutreten, wenn der
Strahl die beim Eintritt in den Kristall entstehende Brechung beim Austritt wieder rückgängig macht.
Im Falle der idealen Unordnung kann hier überhaupt keine eigentliche Haloerscheinung entstehen, so daß
Spiegelhalos mit einmaliger Spiegelung nur bei vertikaler oder horizontaler Lage der Hauptachse möglich
sind. Die doppelte Spiegelung ist stets eine innere. Auch hier muß beim Ein- und Austritt die Brechung
gerade aufgehoben werden. Die Kantenwinkel des Kristalls wirken dann als Winkelspiegel von
60°, 90° und 120°.
Hieraus ergibt sich folgendes System der Haupthalos:
I. Brechungshalos.
A. Brechender Winkel von 60°.
1. Hauptachse vertikal: Nebensonnenhalo.
2. Hauptachse horizontal: Umschriebener Halo. 1 )
3. Hauptachse in idealer Unordnung: Kleiner Ring von 22° Radius.
B. Brechender Winkel von 90°.
1. Hauptachse vertikal: Zirkumzenitalbogen.
2. Hauptachse horizontal: Seitlich untere Berührungsbogen des großen Ringes.
3. Hauptachse in idealer Unordnung: Großer Ring von 46° Radius.
*) Bei Sonnenhöhen unter 29,2° der obere und untere Berührungsbogen des kleinen Ringes. Wir werden im folgenden diese
Formen, die nur die Veränderungen ein und derselben Erscheinung darstellen, stets unter dem Namen »umschriebener Halo«
zusammenfassen.