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Die wirtschaftlichen Schäden der tropischen Wirbelstiimie.
Bei dieser allgemeinen Feststellung soll aber nicht stehengeblieben werden. Haben wir ja hier eine
Frage vor uns, die in ganz hervorragendem Maße von praktischem Interesse ist. Der Pflanzer will
wissen, mit welchen Gefahren er bei der Anlage einer Plantage im Orkangebiet zu rechnen hat, welches
Risiko für Eigentum und Leben er tragen muß und wie er trotz der Instabilität seiner Wirtschaft auf die
Dauer bestehen kann. Ähnlich ist der Kaufmann, der Versicherungsmann, der Auswanderungs- und
Reiselustige daran interessiert. In diesem Sinne wurden besonders viele Schilderungen, die sich auf eigene
Anschauung ihrer Verfasser gründen, eingefügt.
Der zur Lösung dieser Fragen einzuschlagende Weg entzieht sich einer völlig exakten Methode, wie
dies bei anderen Instabilitätsuntersuchungen möglich war. Der Grund hierfür liegt in der außerordentlichen
Verschiedenartigkeit der Quellen. Klagt schon der Meteorologe sehr über die Ungleichmäßigkeit seines
Materials 1 ), so trifft dies noch viel mehr zu, wenn man an die Wirbelstürme von einer anderen Seite
herantritt. In diesem Zusammenhang seien einige Worte über die Art der Quellen vorausgeschickt, die
für diese Arbeit heranzuziehen waren. Es waren in erster Linie die meteorologischen Berichte. Sie boten
relativ noch am meisten und haben vor allem den Vorteil, daß sie seit etwa 4 Jahrzehnten mit großer
Regelmäßigkeit alle meteorologisch bedeutsamen Ereignisse aufzeichnen und würdigen. Freilich zunächst
rein von ihrem fachwissenschaftlichen Standpunkte aus. Doch häufig sind dem sachlichen Bericht noch
einige knappe Angaben beigefügt über die Bedeutung und Wirkung des Ereignisses im allgemeinen Leben,
entweder Tageszeitungen entnommen oder amtlichen Erhebungen. Relativ am meisten an Angaben bieten
die mehr populär gehaltenen Berichte in Zeitungen und Zeitschriften. Bei ihnen kommt allerdings das
Sensationsbedürfnis hinzu, das häufig die Veranlassung wird, dem im sicheren Hafen sitzenden Leser die
Wirkungen der Wirbelstürme in möglichst kräftigen Farben auszumalen. Es sind also gerade diese
Berichte mit kritischer Lupe zu betrachten. Das gleiche gilt für alte Reisebeschreibungen, deren Wert
vor allem in der guten Beobachtung des Naturphänomens an sich besteht. Gelegentlich haben auch die
in neuerer Zeit in Zeitungen manchmal zu findenden, mehr wirtschaftlich orientierten Berichte eine besondere
Färbung, und zwar entsprechend den politischen Tendenzen meist eine beschönigende. Diese Feststellung
konnte ich bei mehreren Berichten in englischen Zeitungen machen, die geflissentlich bemüht waren, die
Handelswelt über den entstandenen Schaden zu beruhigen. Für die zusammenfassende Behandlung der
Instabilitätsfrage kommt aber erschwerend noch hinzu, daß die Quelle der Tagespresse nur für einen
verhältnismäßig kleinen Zeitraum in Betracht kommt, da die Sammlungen von Zeitungsberichten nicht
sehr weit zurückgreifen, z. B. die herangezogene Bibliographie der Zeitungsliteratur von Dietrich und die
Akten des Weltwirtschaftlichen Archivs in Hamburg mit großen Lücken etwa bis 1910, während das
Archiv des Kieler Instituts fast gar nichts enthielt.
Bei all diesen Quellen ist also ein hohes Maß von Kritik anzuwenden, ja selbst bei amtlichen Fest
stellungen, die oft auch nicht frei von Tendenzen sind. In den amtlichen monographischen Behandlungen
dieser Katastrophen findet man auch eine einigermaßen gleichmäßige Behandlung der ganzen Verwüstungs
zone, während sonst nur besonders interessierende Punkte herausgegriffen sind. Zeitungen berichten
überwiegend von Katastrophen in den Städten, die Observatorien nur über ihr Beobachtungsnetz,
entlegenere Punkte, von denen Nachrichten nicht so rasch eintreffen können, häufig außer
acht lassend.
Exaktes Zahlenmaterial zu liefern wären die Unterlagen der verschiedenen Versicherungen imstande,
die sich mit den Orkanschäden zu W’asser und zu Lande befassen; darüber irgendwelche Angaben, die
sich auf größere Gebiete erstreckten, zu bekommen, ist dem Verfasser nicht gelungen. Verwiesen sei
aber auf die eingehende Behandlung, vor allem des mathematischen Verfahrens, der Orkanschaden
versicherung auf der Insel Mauritius in dem Werke von Walter. 2 )
Die Anregung, die wirtschaftlichen Schäden der tropischen Wirbelstllrme geographisch zu behandeln, \enianke ich meinem
hochverehrten Lehrer. Geheimrat Dr. Karl Sapper, der mir auch während der Bearbeitung dieser l-'rage eine Reihe von Hinweisen
zukommen Heß. Für die Material-Sammlung war mir die Benutzung der Bibliothek des preußischen Meteorologischen Instituts in
Berlin (Prof. Dr. Ficker, Dr. Knoch . der Bibliothek der Deutschen Seewarte in Hamburg (Geheimrat Capelle), der Hauptbücherei
der Marinestation der Ostsee und des Weltwirtschaftlichen Archivs in Hamburg und in Kiel freundlichst gestattet worden. I nter den
wirtschaftlichen Unternehmungen, die an den Orkanen interessiert sind, bin ich der Hamburg-Amerika Linie Hapag . vor allem
*) z. B. Visher 132, Newnhatn ,83). 3 ) (134) S. 69 ff. und S. 139 ft.