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Ans dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 1923. Nr. 2.
beiden wird daher bei verschieden hohem Seegang in verschiedener Höhe liegen. Nach längeren Ver
suchen wurde daher auf einen Vorschlag von Prof. A. Wegener folgendes Verfahren eingeschlagen:
Eine im oberen Teil in Abständen von y 2 m (kleinere Abstände wirkten verwirrend) gemarkte Drathlitze
wurde, mit einem Stein beschwert, bis auf den Boden versenkt, und ein Beobachter, der das freie Ende
in der Hand hielt, sorgte dafür, daß die Leine steif und senkrecht ansstand. Ein zweiter Beobachter
notierte in einer Reihe gleicher Zeitabstände den Wasserstand ohne Rücksicht darauf, welcher Teil der
Welle sich gerade am Lot befand, und alsdann wurde aus 30 Beobachtungen, die insgesamt etwa 5 Minuten
dauerten, das Mittel genommen; auf diese Weise wird gewissermaßen ü"ber eine größere Anzahl von Wellen
integriert. Z. B. ergab sich bei einem Beobachtungssatz als Mittel
der 1. —10. Ablesung .. 1,04 m über der Nullmarke
der 11. —20. ,, 1,05 m „ „ „
der 21, —30. ,, .. 0,99 m „ „ „
als Gesamtmittel 1,03 m ,, „ „
Nur bei drei unter 97 Lotungen erreichten oder überschritten die Abweichungen der Einzelmittcl vom
Gesamtmittel 2 dm; es leuchtet daher ein, daß dieses Verfahren reebt zuverlässige Werte liefert. Die
Ergebnisse sind in Tafel 4 Nr. 1 aufgezeichnet. Infolge anderweitiger Inanspruchnahme der Beobachter
konnten die Wasserstandsmessungen durchschnittlich nur in etwas weniger als einstündigen Zwischen
räumen ausgeführt werden; auf den anderen Schiffen wurde alle halbe Stunde, um Hoch- und Niedrigwasser
alle 10 Minuten beobachtet.
Ortsveränderungen des Schiffes. Sehr viel störender wirkte die zweite Schwierigkeit, die in
Ortsveränderungen der Schiffe bestand. Hier waren die Peilboote und die „Senta“ in der ungünstigeren
Lage, weil ihre Ankerplätze in den Prielen und Seegatten des Wattenmeeres lagen, deren Bodenformen
unruhig sind. Durch Wind und Strom wurden die Schiffe über andere Tiefen getrieben, was sich in sprung
weisen Änderungen der Wasserstände äusserte. Bei Stauwasser insbesondere (d. i. hier gerade um die Zeit
des Hochwassers!), bemerkt der Beobachter Thiel, lege sich das Schiff in den Wind und damit quer zur
Fahrwasserrinne, wodurch es an Stellen mit ganz anderer Tiefe gerate. Es dürfte kaum möglich sein,
aus diesen und einem großen Teil der übrigen, wenn auch mit Mühe and Sorgfalt ausgeführten Lotungen
stichhaltige Schlüsse zu ziehen. Andererseits ist die Möglichleit niebt von der Hand zu weisen, daß bei
langsam ansteigendem Grund auch allmähliche Änderungen des Wasserstandes Vorkommen und die aus
den Lotungen erschlossenen Hoch- und Niedrigwasser durch allmähliche Ortsveränderungen des Schiffes
mit bedingt sein könnten. Ob und wann dies geschehen ist, muß eine vergleichende Betrachtung der Beob
achtungsergebnisse lehren (vgl. Abschnitt 2).
Diese Schwierigkeit ist übrigens nicht neu. Schon Kapt. He wett 1 ) traf 1840, als er den Mittelpunkt
der Amphidromie in den Hoofden suchte, besondere Vorkehrungen, um an demselben Punkte zu loten;
er suchte eine Stelle auf, wo der Meeresboden eine Stufe bildete, und verholte eine Gig an einer langen, an
beiden Enden verankerten Leine, so daß sie immer über diesem markanten Punkt gehalten wurde, ein Ver
fahren, das w'ohl bei geringer Windstärke, aber nicht bei den ungünstigen Bedingungen im August 1921
möglich war.
Um die Ortsveränderungen des Schiffes auszuscheiden, ließ Böhnecke („Peilboot I“) das Lot dauernd
am Grund. Die Litze wurde über zwei Rollen an Davits geführt und am Ende mit einem Gegengewicht
beschwert, um sie straff zu halten. Sie stand dann bei Ortsveränderungen des Schiffes nicht mehr senk
recht, und der Winkel wurde an einem Gradbogen mit Senkel, der an ihr befestigt war, abgelesen, um die
nötige Verbesserung an der Beobachtung anzubringen. So glücklich dieser Gedanke ist, so traten doch
bei seiner Durchführung Schwierigkeiten auf, denn bei Stauwasser, namentlich in der Nähe von Hochwasser,
wurde die Orts Veränderung des Schiffes so groß, daß das Lot eingeholt werden mußte, was zu einer Unstetig-
Brit. Ass. Rep. 1841, II. London, Not. and Abstr. S. 32—35. Über zwei andere Versuche berichten Halligan im
Surveyor, Sidney 1903 und Capt. Cust im Rep. Admiralty Surveys 1903, doch sind diese Veröffentlichungen nach einer
Angabe des Auskunftsbüros der Deutschen Bibliotheken in Deutschland nicht zu ermitteln. Vergl. a. die v. B. Schulz,
Ann. Hydr. 1921, S. 268 zitierten amerikanischen Beobachtungen.