Dr. A, Schumacher, Die Gezeitenströmungen.
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über den Reststrom mit den von W. Ekman theoretisch behandelten Fällen verglichen. Von seinen Berech
nungen sind natürlich diejenigen über Tritt- und Stauströme in seichtem, homogenem Wasser unter Ein
wirkung einer gradlinigen Küste heranzuziehen; seicht bedeutet, daß die Wassertiefe d gegenüber der
Reibungstiefe D verhältnismäßig klein ist 1 ). Nach Ekman bezw. Krümmel (letzterer an Ekman anschlie
ßend) würde D für eine Windgeschwindigkeit von 12 m/sec in 50° Breite zwischen 100 m und 30 m schwan
ken, je nach dem bei der Berechnung zugrundegelegtcn Verhältnis zwischen Windstärke und Tiiftgeschwin-
digkeit 2 ). Jedenfalls wird man für unser Beobachtungsgebiet bei der in den ersten Tagen herrschenden
Windgschwindigkeit von 10 bis 12 m/sec das Verhältnis d:D mit großer Wahrscheinlichkeit zu 0.25 bis
0.6 ansetzen dürfen. Ekman hat die Stromrichtung für verschiedene Werte des Winkels zwischen Küste
und Windlichtung und für jeden dieser Winkelwerte wieder für mehrere Werte des Verhältnisses d:D
berechnet. Von den von ihm behandelten Fällen ist allerdings nur einer auf die „Poseidon“-Beob-
achtungen anwendbar, nämlich der bei Ekman (a. a. O.) Tafel 1, Fig. 3 und 4, desgl. bei Krümmel
(a. a. O.) Seite 531, Fig. 154 wiedergegebene Fall. Dieser liegt bei den Augustbeobachtungen offensichtlich
während der beiden ersten Tage (4. abends bis 7. früh) vor, solange der Wind nach etwa Nordost bis Ost
zu Süd (mißweisend) gerichtet ist und demnach unter mehr oder minder spitzem Winkel von Süden her auf
die etwa in der Richtung Südsüdwest—Nordnordost verlaufende Küste stößt (vergl. die Skizze Abb. 2,
Tafel 3). In der Tat entsprechen die gefundenen Reststromrichtungen qualitativ durchaus den von
Ekman berechneten Verhältnissen. Sowohl in 5 m wie in 19 m Tiefe liegt die Richtung der Was
serversetzung links von der Windrichtung, und zwar bildet der Bodenreststrom den bei weitem
größeren Winkel mit der Windrichtung. Wie in der Idealfigur Ekmans hat der Reststrom in 5 m Tiefe
eine auflandige, in 19 m Tiefe eine — geringere — ablandige Komponente 3 ).
Für die später (nach dem 7. August morgens) auf „Poseidon“ beobachteten Verhältnisse bieten die
von Ekman berechneten Idealfällc keine Vergleichsmöglichkeiten. Der Reststrom bei östlichem, also
ablandigem Winde — hier treten nach Ekman die interessantesten Verhältnisse auf 4 ) — konnte, wie schon
erwähnt, wegen Unvollständigkeit der Beobachtungen nicht abgeleitet werden. Auf die Beobachtungen,
die am 10./11. Juni 1920 in nur 1.5 Sm Abstand von der Station August 1921 ebenfalls auf „Poseidon“
ausgeführt wurden (auf denen die Stromrose Abb. 9, Tafel 1 beruht), und die zum größeren Teil bei ablan
digem Wind stattfanden, sind die Berechnungen Ekmans kaum noch anzuwenden. Das Verhältnis der
Wassertiefe d zur Reibungstiefe D ist in diesen Tagen ein völlig anderes; bei der geringen Windgeschwin
J ) W. Ekman, On the Influence of the Earth’s Rotation on Oeean-Currents. Arkiv för Matematik, Astronomi och
Fysik. Bd. 2, No. 11, S. 31 u. Tafel 1. S. auch Krümmel, Handb. d. Ozeanogr. II, S. 531, Fig. 154 bis 157.
7.6 2.16
2 ) Ekman (a. a. O. S. 42) findet D - • w, Krümmel (Handb. II, S. 546) D — . • w (in Bietern) wo 9 die
V sm 9 V sm 9
geographische Breite, w die Windgeschwindigkeit (in m/sec). Die Reibungstiefe ist also hei geringer Wassertiefe und
großer Windgeschwindigkeit eine fiktive Größe. Übrigens ist der von Krümmel gefundene Wert wahrscheinlich beträcht
lich zu klein (vergl. Krümmel a. a. O. S. 546 u. H. Thorade, Ann. d. Hycbogr. 1914, S. 387 u. S. 390).
3 ) In seiner mehrfach angeführten Arbeit untersucht Wendicke (S. 63ff.) den Reststrom bei den Feuerschiffen
„Borkum-Riff“ und „Norderney“ und findet seine Ergebnisse namentlich für den 13. August 1910 im Einklang mit den
theoretischen Ergebnissen Ekmans. Es ist nötig, kurz auf diese Betrachtungen Wendickes einzugehen, weil W. an dem ge
nannten Tage in bezug auf Windrichtung zur Küste, Windstärke und Wassertiefe dieselben Vorbedingungen hat, wie sie
auf „Poseidon“ vom 4. bis 7. August 1921 vorhanden waren. Nichtsdestoweniger sieht er aber trotz ganz anderer Rest
stromrichtungen in den oberen Schichten (entschieden rechts vom Wind) in seinen Ergebnissen eine „ideale Bestäti
gung der Ekmanschen Ableitungen“. (Vergl. besonders Fig. 24, a. a. O. S. 65; diese Skizze findet sich beiläufig auch in
A. Merz, Meereskunde, Wirtschaft und Staat, „Meereskunde“, Bd. XIV, 1, S. 34). Dieser Widerspruch zu unseren Ergeb
nissen erklärt sich dadurch, daß W. offenbar den wesentlichen Einfluß des Verhältnisses der Wassertiefe zur Reibungstiefe
ganz außer acht gelassen hat und die Ableitung Ekmans für tief es Wasser und Wind parallel zur Küste (vergl. Krümmel,
Handb. II, S. 529, Fig. 150 und Wendicke, a. a. O. S. 64, Fig. 23) mit seinen Ergebnissen verglichen hat. Infolge der Vor
gefundenen Übereinstimmung blieb unbeachtet, daß die Reststromrichtungen für die oberen Schichten offenbar stark
gefälscht sind, weil die Angaben des Strommesserkompasses nicht wegen Deviation berichtigt sind. (Für die boden
nahen Schichten ist übrigens Wendickes Befund mit demjenigen vom „Poseidon“ und mit den theoretischen Forderungen
Ekmans im Einklang: W T asserversetzung links von der Windrichtung mit deutlicher ablandiger Komponente.)
4 ) S. Ekman, a. a. O. Tafel 1, Fig. 13 bis 15; Krümmel, Handb. II, S. 531, Fig. 157.