Prof. Dr. A. We g e ü e r u. Dr. E. Kuhlbrodt: Pilotballonaufstiege auf eiuer Fahrt nach Mexiko, März-Juni 1922. 9
Böe trat besonders heftig weiter im Norden auf, wo sie orkanartige Schäden verursachte. Die Luft
druck- und Temperaturregistrierungen bieten sonst auf der ganzen Reise nichts wesentlich Bemerkens
wertes. Immerhin kamen sowohl auf der Hin- wie Rückreise einige rasche Temperaturfälle von 3°
bis 5° vor, verbunden mit raschen Druckanstiegen von 1—2 mm und im Zusammenhang mit Regen
schauern. Die Lufttemperatur war an den Tagen vom 6. bis 8. April in ungefähr 30° Breite etwa
um 3° kühler als die Wassertemperatur (Rückseite des Sturmgebiets); das ist die größte auf dem offenen
Ozean auf unserer Reise gemessene Differenz Luft—Wasser. Die Feuchtigkeitsregistrierung ver
sagte, da mangels geeigneter Aufstellung das Haar nicht vom Ansatz feuchten Salzes frei ge
halten werden konnte. Auf der Hinreise betrug die um 8 a mit dem Aspirationspsychrometer
gemessene mittlere relative Feuchtigkeit in der Westwindzone 72%, Maximum 88%, Minimum 56%,
auf der Rückreise entsprechend 90 % bezw. 98 % und 73 %. An der Polargrenze des Passats wurde das
absolute Minimum um 8 a gemessen mit 46%. Auf dem Golf von Mexiko und im Golfstromgebiet war
die Feuchtigkeit recht hoch, im Mittel fast 80 %.
An der Nordküste von Cuba war deutlich eine tägliche Periode der Windrichtung und -stärke zu
erkennen, die offenbar der Überlagerung des Passats durch Land- und Seebrise zuzuschreiben war.
Nachmittags frischte hier der Passat stark auf, ja er wehte z. T. stürmisch unter Drehung nach NE
bis NNE. Gegen Mitternacht flaute er wieder ab, früh morgens herrschte Windstille oder leichter Land
wind aus SW, bis etwa 10 h vormittags; dann kam wieder der Ost-Passat auf. Die einzelnen zu ver
schiedenen Zeiten angestellten Pilotballonaufstiege lassen hier die Beeinflussung der Passatströmung
durch die Land- und Seebrise erkennen. Auch eine tägliche Periode der Bewölkung trat hier deutlich
hervor: früh morgens cu-Wolken über dem Meer, dagegen über Land wolkenlos; um etwa 10—11 a Auf
lösung der cu über dem Meer und Neubildung von cu über dem Lande; gegen Abend allgemeine Be
wölkungsabnahme. Die tägliche Periode des Windes war auch an der mexikanischen Küste deutlich
ausgesprochen.
Es sei noch bemerkt, daß (im Bereich der Inselreihe) an der albanischen Nordküste wiederholt
Luftspiegelungen nach unten beobachtet wurden. — In Fernandina wurde, leider aus großer Entfernung,
am Rande einer starken Böenfront eine Windhose beobachtet.
II. Methode.
Die frühere Methode der Pilotvisierung vom fahrenden Schiffe aus bestand in der Benutzung
gewöhnlicher Schiffssextanten für die Messung des Höhenwinkels und in einem Anvisieren des Ballons
mit der auf dem Peilkompaß befindlichen Peilvorrichtung für die Messung des Azimuts. Der Sextant
wurde dabei meist umgekehrt gehalten und das Fernrohr nicht benutzt. Man sah also den Ballon mit
bloßem Auge und spiegelte die Kimm zu ihm hinauf. Die Arm- und Kopfhaltung ist allerdings hierbei
viel ermüdender als bei der gewöhnlichen Benutzung, so daß meist mehrere Beobachter mit Sextanten
notwendig waren, die sich ablösten. Die Peilung über den Peilkompaß geschah gleichfalls mit bloßem
Auge und war stets sehr ungenau, weil der Peilkompaß nicht für Objekte mit großen Höhenwinkeln
eingerichtet ist. Weil man hier nicht wie durch die Kimm beim Sextanten einen Anhalt für die Wieder
aufsuchung des Ballons hat, geht der Ballon meist zuerst dem Beobachter am Peilkompaß verloren,
und häufig mußte sich dieser damit begnügen, ungefähr die Vertikalebene einzustellen, in welcher der
andere Beobachter den Sextanten hielt. 1 2 ) Am besten durchgebildet wurde die bisherige Methode bei
der Deutschen Seewarte, welche eine Reihe von Aufstiegen in den Jahren 1906—1908 durch Kapitäne der
Handelsmarine auf 5 Fahrten nach Südamerika ausführen ließ’), hierzu eingehende Instruktionen aus
arbeitete und die gewonnenen Erfahrungen veröffentlichte. In den Jahren 1909—1911 führte Dr. Harry
1 ) Vergl. in: Forschungsreise S. M. S. „Planet“ 1906—07, Bd. 1, Berlin 1909 die Fig. S. 59 „Beobachtung eines
Ballongespanns . . . .“ Die Figur zeigt deutlich das große Beobachtungspersonal und die unbequeme Körperhaltung
der Beobachter.
2 ) W. Koppen, Aufstiege von Pilotballons auf deutschen Handelsschiffen in den Jahren 1906—1908. Annalen
d. Hydr. usw. 38, 1910, S. 201—217.