Vorwort.
Wie lückenhaft unsere Kenntnis von den Eigenschaften des Wassers in den Tiefenschichien der
Ozeane und wie schwierig vor allem eine exakte Beantwortung der Frage über die Bewegung des Tieten-
wassers im Ozean ist, wurde von mir lebhaft nach der Rückkehr von der Ausreise des Vermessungs
schiffes „Planet“ (1907) empfunden, als ich eine Deutung des gewonnenen Beobaciitnngsmaterials ver
suchte, Immer wieder wurde einem vor Augen geführt, daß es an gutem Beobachtungsmaterial aus den
Tiefen des Meeres fehlt, daß die Ozeane in vieler Hinsicht noch zu den unerforschten Gebieten der Erde
zählen. Ohne Zögern ergriff ich daher die Gelegenheit, mich der 19.11 hinansgehenden Deutschen Ant
arktischen Expedition als Ozeanograph anzuschließen, um mit den auf der „Planet“-Reise gewonnenen
Erfahrungen in der Technik der Tiefseeforschung neues Beohachtungsmaterial aus unbekannten Gebieten
zu sammeln und zu bearbeiten.
Die Sammlung eines umfangreichen Beobachtungsmaterials konnte trotz mancher Schwierigkeiten
im inneren Betriebe der Expedition während der ganzen Dauer der Reise und auch während der monate-
langeu Trift im Treibeis der Weddell-See durchgeführt- werden, dank der Unterstützung, die ich von
meinen Kameraden, Kapitän, Offizieren und Mannschaften in der Durchführung des ozeanographischen
Programms erfuhr. Mit Professor H. L o h m a n n, der die Expedition bis Buenos Aires zu biologischen
Untersuchungen begleitete, ergab sich eine harmonische Zusammenarbeit, so daß jeder von uns sein
Programm ohne Störung des Nachbargebiets durchführen konnte. Diese Zusammenarbeit zeitigte auch
einen anregenden Gedankenaustausch über die von jedem erzielten Ergebnisse und über die wechsel
seitigen Beziehungen zwischen dein Plankton und den hydrographischen Verhältnissen'). Aber immer
wieder trat uns klar vor Augen, daß eine eindeutige Lösung vieler Fragen wegen des Fehlens exakter
Messungen über die Richtung und Geschwindigkeit des Wassers in den Schichten unter der Oberfläche
des Wassers nicht möglich war. Dieser Mangel an Strommessungen macht sich auch bei der hier vor
gelegten Diskussion der Bt obachtungstatsachen geltend, so namentlich in der Zusammenfassung über die
meridionale Tiefenzirkulation (Kapitel V, Abschnitt 5), so daß alle aus der vertikalen Verteilung von
Temperatur, Salzgehalt und Sauerstoffgehalt gezogenen Schlußfolgerungen der Bestätigung durch
Messung der wirklich erfolgenden Bewegung des Wassers in den Tiefenschichten bedürfen. Daher sei
es auch an dieser Stelle betont, d a ß das erste Z i e 1 einer jeden in Z uku n f t die M ee re
erforschenden Expedition die B e i b r i n g u n g ei n w a n d freier Mess u n g e n ü b e r
d i e B e w e g u ngsrichtu ng n ii d G e s c h w i p d i g k e i t der W a s s e r massen in d e n v e r -
s c li iedenen Tief e n s c h i e h t e n der Ozeane sein sollt e.
Die Bearbeitung der auf der „Deutschland“ gesammelten Beobachtungen wurde durch den Krieg
verzögert, so daß häufig monatelange Unterbrechungen in der Arbeit eintraten. Der Krieg und seine
Folgen verhinderte auch ein Zusammenarbeiten mit anderen Mitgliedern der Expedition über gemeinsam
ausgeführte Beobachtungen in Einzelfragen und bewirkte ferner, daß eine Reihe von Wasserproben,
die zu Bestimmungen über die Zusammensetzung des Meerwassers und des Meereises gesammelt wurden,
noch nicht untersucht sind. Als eine weitere Folge der durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse ist
anzusehen, daß von einer die Gesamtergebnisse der Expedition einheitlich zusammenfassenden Veröffent
lichung. deren Herausgabe von der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin beabsichtigt war, mangels hin
reichender Geldmittel Abstand genommen werden mußte. Um so mehr bin ich der Deutschen See-
warte, welche die Veröffentlichung ermöglichte, zu Dank verpflichtet. Dank gebührt auch den Fach-
genossen, die mich bei der Beratung so mancher Sonderfragen unterstützten, vor allem Herrn Professor
Dr. S c hott für sein weitgehendes Interesse an der Expedition und der Förderung meiner Pläne. Bei
dem Entwurf der zahlreichen graphischen Darstellungen, die dem Werk beigegeben sind, hatte ich in
dem Lithographen der Deutschen Seewarte, Herrn D e n y s , eine vortreffliche Unterstützung.
Februar 1921.
W. B r e n n e c k e.
') Die auch für die Ozeanographie bedeutsamen Untersuchungen von M. JLobuiujm sind iu seinem Werk „Die Bevülhcrti »g
des Ozeans mit Plankton“ im Archiv für Biontologie. IV. TM.. 3. Heft. Berlin 1920. niedergelegt.