H. MahnkopI: Die Auslösung der i'unkentelegr. Nauener Zeitsignale dtircli die Deutsche Seewarte. 25
Aufstellung hat sich demnach vorzüglich bewährt. Der verhältnismäßig lockere Untergrund, auf dem
der große Betonbloek mit den sehr starken, stabilen Uhrenpfeilern ruht, scheint gegenüber den von
außen kommenden Bodenschwankungen als Puffer zu wirken. Nur Anfang Juni 1920 glaubte ich aus
dem Verhalten der relativen Gänge unserer verschiedenen Uhren auf eine Einwirkung des starken Erd
bebens,. das nach den Angaben der Hamburger Erdbebenwarte am 5. Juni stattgefunden hat, schließen
zu dürfen. Auch die Werte v t und v 2 von Rf 223 zeigen an dieser Stelle einen kleinen Sprung. Jedoch
rechtfertigte die Prüfung derGänge mit Hilfe der am Geodätischen Institut ermittelten Signalkorrektionen
meine Annahme nicht, wie die eingeklammerten Werte der v zeigen. Eine Abänderung der Uhrkorrektion
für Juni 12 um etwa 0 S .07 würde Übereinstimmung mit den Potsdamer Werten hervorbringen. Statt die
Frage zu erörtern, ob man angesichts des übrigen Materials einen „zufälligen“ Fehler einer Zeit
bestimmung von diesem Betrage noch zulassen kann oder nicht, möchte ich hier auf eine Möglichkeit
hinweisen, die geeignet sein könnte, die Resultate von Zeitbestimmungen gelegentlich zu verfälschen.
Während die in Potsdam und in Hamburg festgestellten endgültigen Korrektionen der Signale fast stets
innerhalb der in Betracht kommenden Fehlergrenzen miteinander übereinstimmen, sind in einigen Fällen
Unstimmigkeiten aufgetreten, die nur durch Abweichungen zwischen den an beiden Orten angestellten
Zeitbestimmungen, bis zu über 0 S .10 gehend, zu erklären waren. Die betreffenden Beobachtungen waren
äußerlich vollkommen einwandfrei. Herr Wanach, dem ich in jedem Falle Mitteilung gemacht habe, hält
das Auftreten von Refraktionsanomalien (Zeitrefraktion) bei den Beobachtungen für wahrscheinlich, für
deren Vorkommen auch manche beim internationalen Breitendienst gemachte Erfahrungen sprechen. An
welchem Ort die Fehlerursachen zu suchen waren, läßt sich, da genügend zuverlässige, an dritter Stelle
gemachte Beobachtungen fehlten, nicht entscheiden. Die ungünstigeren Beobachtungverhältnisse liegen
entschieden in Hamburg vor; est ist aber auch vorgekommen, daß die Werte von Potsdamer Zeit
bestimmungen den Gängen der doch sehr zuverlässigen Uhren, wie sie aus den in Hamburg gemachten
Beobachtungen folgten, widersprachen. — Vorläufig müssen wir uns mit der bloßen Feststellung dieser
Tatsachen begnügen; das Material ist zu dürftig, als daß eine nähere Behandlung der Frage möglich
wäre. Im übrigen ist es ja auch längst bekannt, daß die atmosphärischen Verhältnisse eine weitere
Steigerung der bisher erreichten Genauigkeit astronomischer Beobachtungen kaum zulassen.
Die Uhren „Richter 101“ und „Richter 102“,
geliefert vom Uhrmacher Max Richter-Berlin, haben Graham-Hemmung und Rieflersche Nickelstahlpendel
'Type J 1 mit Schichtungskompensation. Zur Beseitigung des Einflusses der Luftdichte auf den Gang
besitzen die Pendel die bekannte Aneroidkompensation. Beide Uhren wurden im Oktober 1919 im neuen
Uhrenraume aufgestellt.
Unter gioi und gio2 sind in Tabelle I und II (S. 20-21) die Gänge der Uhren angegeben, wie sie aus den
Zeitbestimmungen sich ergeben. Während der ersten drei Monate nach der Aufstellung (Oktober bis
Dezember 1919) zeigten die Gänge, wie durch die Vergleichungen der Uhren mit Rf 223 festgestellt
wurde, ziemlich erhebliche Schwankungen mit kürzerer Periode, die mit den ebenfalls beobachteten Ver
änderungen der Schwingungsweite nicht in Einklang zu bringen waren und die immer mehr abnahmen,
je mehr die Uhren sich „einliefen“. Da außerdem während jener Zeit nur wenig Zeitbestimmungen er
halten werden konnten, werden, ebenso wie für Rf 223, auch für Rt 101 und Rt 102 die mittleren täg
lichen Gänge erst von 1920 Januar 14 ab gegeben.
Der positive Gang von Rt 101 wurde schließlich so groß, daß er Anfang Juli 1920 um 1* korrigiert
wurde; von diesem Eingriffe ab ist der Gang überaus regelmäßig gewesen. Rt 102 zeigte bis zum Juni
1920 eine merkliche Verzögerung des Ganges, von da ab, ohne daß ein Eingriff erfolgt wäre, eine Be
schleunigung (s. Tab. I). Die Gänge dieser Uhr würden sich, wie ein Blick auf die Zahlen gio 2 zeigt,
durch Einführung eines quadratischen Zeitgliedes des Ganges recht gut darstellen lassen; es ist aber
wohl besser, ein solches Glied, dessen Einführung sich theoretisch nicht begründen ließe und das lediglich
interpolatorischen Wert hätte, nicht zu berücksichtigen.