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Full text: 39, 1921

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 1921. Nr. 2. 
§ 6. Der Uhrenraum. 
Bei der Herstellung einer Zeitdienstanlage ist der allergrößte Wert auf die Aufstellung der Haupt- 
uhren zu legen; von der Güte der Aufstellung hängt im wesentlichen die Leistungsfähigkeit der Uhren 
ab — in höherem Maße noch, wie es scheint, als man bisher im allgemeinen angenommen hat. Betreffs 
eines guten Uhrenraumes ist zu fordern, daß die Instrumente möglichst erschütterungsfrei anfgestellt 
sind und daß die Temperatur im Raume möglichst konstant ist oder sich wenigstens nicht allzu rasch 
ändert; insbesondere muß das Auftreten von Temperaturschwankungen mit täglicher Periode unter allen 
Umständen vermieden werden. Endlich ist der Kaum möglichst trocken zu halten. 
Der neue, von der Firma J. F. W. Reichardt & Sohn - Hamburg angelegte Uhrenraum der See 
warte scheint den an ihn gestellten Anforderungen in hohem Maße gerecht zu werden. 
Als Uhrenraum wurde der Süd-Ost-Raum des Kellergeschosses im Gebäude von Abt. IV gewählt; 
die nach Norden gelegenen Räume waren zu klein oder aus anderen Gründen ungeeignet. Aber auch 
für den Süd-Ost-Raum besteht keine Gefahr einer, unzulässig starken Erwärmung durch die Sonne, weil 
er fast ganz unterhalb des Erdbodens liegt und weil die Außenwände des Gebäudes bis zu der in Frage 
kommenden Höhe überaus dick sind. Zudem wurde der ganze Raum noch 1 m tief ausgeschachtet, und 
die in Erdbodenhöhe befindlichen Fenster wurden zugemauert. Endlich wurde in einiger Entfernung 
von der südlichen Außenwand noch eine zu dieser parallele Wand aufgeführt. — In den so entstandenen 
Raum wurde der neue Uhrenkeller eingebaut und durch Wände und Decke vollkommen in sich abge 
schlossen. Ein Zwischenraum von etwa 0.4 m (an der Eingangsseite 0.8 m) trennt die Wände des inneren 
Raumes von den äußeren Wänden. Durch eine gut schließende Doppeltür gelangt man vom Innenraum 
in den ihn umgebenden Gang, von dort durch eine weitere Doppeltür in einen ebenfalls neu angelegten 
kleinen Vorraum, der durch eine letzte Tür auf den Kellerflur mündet. 
Der innere Raum ist 4.5 m lang, 3.9 m breit und 2.3 m hoch. Seine Wände sind zwecks Erreichung 
einer möglichst großen Konstanz der Temperatur rings mit einer 5 cm dicken Korkschicht, die mit einem 
dünnen Putzüberzug versehen ist, ausgestattet. Aus demselben Grunde ist die Decke aus 5 verschiedenen 
Schichten zusammengesetzt, von denen eine aus aufgeschütteter Infusorienerde besteht. — Der Fußboden 
besteht aus „Steinholz“, das bekanntlich ebenfalls Temperaturänderungen gut fernhält und für Feuchtig 
keit in hohem Grade undurchlässig ist. 
Bei der Herstellung des Uhrenkellers galt die Hauptsorge jedoch der Erzielung einer möglichst großen 
Stabilität der Aufstellung der Uhren. Der Hügel, auf dem das Gebäude steht, ist zum großen Teil erst 
vor etwa 110 Jahren aufgeschüttet worden; der Boden ist verhältnismäßig locker. Daher erschien es 
beim Bau des Uhrenraumes nicht geraten, die Pfeiler, an denen die Uhren aufgehängt werden sollten, 
einzeln zu fundieren; vielmehr wurde für sie ein gemeinsames, sehr schweres Fundament aus Beton her 
gestellt. Der Betonblock ist 1.0 m hoch und füllt fast den ganzen Untergrund des Raumes aus, berührt 
aber nicht die Fundamente der Wände. Auf ihm erheben sich 4 starke Granitpfeiler, je 0.90 m lang, 
0.75 m breit, 2.00 m hoch, an denen mit Hilfe von tief eingelassenen, mit Zement befestigten Mauer 
bolzen die besten Präzisionsuhren der Seewarte aufgehängt sind. Jeder Pfeiler trägt nur eine Uhr. 
Die Pendel schwingen in verschiedenen Ebenen. 
Der Fußboden ruht auf eisernen, in den Grundmauern der Wände befestigten Trägern; er ist also 
von dem Betonfundament unabhängig, berührt auch die Pfeiler nicht. — 
Die vorzüglichen Gangleistungen der Uhren (vergl. § 7) zeigen, daß die angestrebte Stabilität der 
Aufstellung voll und ganz erreicht worden ist. Allerlei Sorge hat dagegen bisher die Frage der Trocken 
haltung der Luft im Uhrenraume bereitet. Der Raum wurde im September 1919 fertiggestellt; bevor 
jedoch die Wände, die Decke, der Fußboden und vor allem der Betonblock ausgetrocknet waren, mußten 
im Oktober 1919 die Uhren aufgestellt werden, da die Seewarte am 1. November den FT-Zeitdienst über 
nehmen sollte. Eine dauernde Lüftung des Raumes erwies damals als unbedingt erforderlich, so daß ein 
nach außen führender Luftschacht mehrere Monate lang geöffnet bleiben mußte. Durch Heizung mit 
elektrischen Öfen wurde dafür gesorgt, daß die von der Außenluft herrührenden täglichen Temperatur-
	        
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