W. Brcunecke: Die ozcanograpliisclien Arbeitender Deutschen Antarktischen Expedition 1911—1912. 155
sprechend dem Wechsel in den Bewegungs-Verhältnissen bald hier bald dort offene Wasserflächen (Waken)
bilden, die sich nach einiger Zeit wieder zusammenschieben oder durch Jungeisdecken fest werden. Im
Frühling und Sommer werden die Waken zahlreicher und vergrößern sich mit dem Fortschreiten der
Jahreszeit. Da die Eistrift cyklonal die Weddell-See umkreist, so bilden sich die größten eisfreien
Flächen im Zentrum der Weddell-See, wie denn auch die „Deutschland“ solch weite eisfreie Gebiete
vornehmlich zwischen 64° und 70° S-Br. antraf. Ein zweites ziemlich treibeisfreies Gebiet traf die
„Deutschland“ auf den Schelfflächen südlich von 74° S-Br. bei der Fahrt nach Luitpold-Land, so daß der
Schluß nahe liegt, daß die Hauptmenge des Scholleneises von Coats-Land sich in westlicher Richtung
bewegt und die südlicher gelegenen Wasserflächen auf dem Schelf nach Abtrift des Wintereises eisfreier
sind als das Gebiet zwischen 70° und 74° S-Br. Längs des schwimmenden Inlandeises, westnordwestlich
vom südlichsten Punkt (Vahsel-Bucht), wurden wieder größere Mengen dichtgepackten Scholleneises
angetroffen, die schließlich die Fahrt gänzlich hemmten (1.—5. Februar 1912); hier ist anscheinend die
Abtrift des Eises nach Norden durch den Anstau der Treibeismassen im westlichen Teil der Weddell-See
gehemmt.
Die gesamte Wassermasse des Weddell-Meeres (mit Ausschaltung des Wassers auf den Schelf-
Flächen) wird durch die Null-Grad-Isotherme in drei Schichten vertikal gegliedert: 1.) Die Oberflächen-
sehioht bis zu durchschnittlich 200 m mit Temperaturen unter 0°, 2.) Die warme Zwischenschicht von
etwa 200 in bis 1500 m Tiefe mit Temperaturen zwischen 0° und 1° und 3.) Die Tiefenschicht in mehr
als rund 1500 m Tiefe mit Temperaturen unter 0°.
Unsere Untersuchungen über die Temperaturverteilung in der Oberflächenschicht bestätigen voll
und ganz die Darlegungen von F. Nansen für das Nordpolargebiet im 3. Abschnitt seiner Abhandlung
„Das Bodenwasser und die Abkühlung des Meeres“ 1 ). Hier wie dort „entstehen, treiben und schmelzen
die Eismassen des Polarmeeres in einer 150—200 m dicken Wasserschicht, die einen viel niedrigeren
Salzgehalt 2 ) hat und infolgedessen bedeutend leichter ist, als die darunter liegenden Wassermassen“.
Und gleicherweise gilt für das Weddell-Meer: „Dies verhältnismäßig leichte Oberfläch enwasser hindert
das darunter liegende wärmere, aber schwerere Wasser mit der Oberfläche oder dem Eise in Berührung
zu kommen, und als wärmeisolierende Schicht schützt es dies Wasser gegen Abkühlung durch die Aus
strahlung von der Oberfläche und durch Eisschmelzung.“ Die von uns im Frühjahr und Sommer beob
achteten Temperaturen im Weddell-Meer (vergl. den Tabellenanhang in Kap. IV Abschnitt 5) zeigen,
daß zu dieser Jahreszeit stets die niedrigste Temperatur in 50 m bis 100 m Tiefe liegt (imNordpolargebiet
in 50 m bis 80 m Tiefe); das Minimum beträgt in 54° bis 55° S-Br. —1.18° bezw. —1.35°, bei allen
andern Stationen innerhalb des Treibeisgebietes liegt das Minimum im Sommer zwischen —1.70° und
—1.80°. Das Vorhandensein dieses Temperatur-Minimums in 50 m bis 100 m Tiefe zur wärmeren Jahres
zeit ist zurückzuführen auf die Erkaltung der Oberflächenschicht im Winter, ist also ein klimatischer
Effekt, wie klar unsere Beobachtungen im Winter während der Eistrift des Schiffes zeigen. Die beiden
nachfolgenden Reihenbeobachtungen aus etwa 70° S-Br,. deren eine im Juni 1912 gewonnen wurde, zeigen
deutlich die Änderungen, die in der Oberflächenschicht vom Sommer zum Winter stattfinden.
Tabelle siehe Seite 156 oben.
Die im Winter gewonnene Reihe Nr. 67 weist homogene Verhältnisse von der Oberfläche bis zu
75 m Tiefe auf; Temperatur, Salzgehalt, Dichte und Sauerstoff sind von 0 m bis 75 m Tiefe gleich, die
kleinen Unterschiede liegen innerhalb der Genauigkeitsgrenze. Diese Homogenität zeigt, daß Konvek
tion zwischen der Oberfläche und 75 m Tiefe stattfindet, indem das der Abkühlung unterworfene Ober
flächenwasser, dessen Dichte noch durch das beim Gefrierprozeß ausgeschiedene Salz erhöht wird, nach
der Tiefe absinkt; die gleichmäßige Durchmischung des Wassers prägt sich namentlich in der gleich
förmigen Verteilung des Sauerstoffs aus. Auf die Oberflächenschicht folgt eine Unterschicht von 100m
bis 200 m Tiefe, in der gleichfalls die Temperaturen noch unter 0° liegen, aber mit wachsender Tiefe
zunehmen, ebenso findet in dieser Schicht eine Zunahme des Salzgehalts und der Dichte, dagegen eine
i) Int. Revue il. ges. Hydrobiologie und Hydrographie, 1912, Bd. V, H. 1.
-’) Im Weddell-Meer nur etwas niedrigeren Salzgehalt.