Prof. Dr. G. Schott und Dr. B. Schulz: Die Forschungsreise S. M. S. „Möwe“ im Jahre 1911. A. Ozeanographie. 33
§ 9.
Auslotung der Kongo-Rinne.
(Hierzu Tafel 2.)
An einigen Stellen der Erdoberfläche finden wir deutliche Anzeichen dafür, daß das Festland in
früheren Epochen höher gelegen und daß später eine Senkung stattgefunden hat. Dies beweisen vor
allem unterseeische Täler, wie man sie an der nordamerikanischen und an der europäischen Küste mehr
fach festgestellt hat. Diese untermeerischen Rinnen, z. B. die an der Mündung des Hudson- und Dela
ware-Flusses, können nur als tief versenkte alte Talfurchen gedeutet werden, die in früheren Zeiten, als
der heutige Küstenschelf noch trocken lag, durch die erodierende Kraft des fließendenWassers geschaffen
worden sind. Ein großartiges Beispiel für ein versenktes ehemaliges Flußtal bietet die vor der Mündung
des Kongo in den Schelf eingegrabene Kongo-Rinne, die J. Y. Buchanan näher beschrieben hat. 1 )
In den hier 40—50 Sm breiten Küstenschelf ist eine Rinne mit allmählich auf über 1000 m absinkender
Sohle eingeschnitten; noch auf dem Steilabfall in 80 Sm Entfernung von der Küste ist die Furche klar er
kennbar, ihre Breite nimmt wie die Tiefe mit wachsender Entfernung von Land zu und beträgt 2 bis ß Sm.
Erwähnenswert ist, daß auch im Fluß selbst, 10 Sm landeinwärts, also oberhalb von Banana, noch eine
Tiefe von 227 m festgestellt worden ist.
Die bislang vor der Kongo-Mündung liegenden Lotungen (vergl. Brit. Adm.-Karte 625) ließen nun
eine Lücke zwischen 11° 45' und 12° 5' O-Lg. offen, wo die Tiefenverhältnisse noch ungeklärt
waren. Auf Anregung der Deutschen Seewarte hatten schon S. M. S. „Sperber“, Kommandant Korv.-
Kapt. F i e 1 i t z , und „Panther“, Kommandant Korv.-Kapt. Frhr. v. Müffling, ersteres Schiff im
März 1910, letzteres im August 1910, in diesem nicht vermessenen Gebiet eine Anzahl Lotungen ausge
führt; die beiden Schiffe besaßen je eine kleine Lucas - Lotmaschine, welche nur 800 m Lotdraht auf
nehmen kann. Infolgedessen konnten in den tieferen Teilen der Rinne die Lotungen nicht bis zum
Grunde durchgeführt w r erden; auch mußten die Ortsbestimmungen infolge ungünstiger astronomischer
Verhältnisse und Strömungen besonders bei „Panther“ teilweise als nicht genau genug für den vorliegen
den Zweck bezeichnet werden: fällt doch der Rand der Kongo-Furche offenbar außerordentlich steil zur
Talsohle ab.
Daher hat S. M. S. „Möwe“ mit Hülfe der allen Forderungen entsprechenden Tiefseelotmaschinen
das fehlende Stück zwischen 11° 45' und 12° 5' O-Lg. in dreitägiger Arbeit, am 7., 8. und 9. Sept. 1911,
als das Schiff von Duala kommend den Kongo ansteuerte, gründlich vermessen und beim Verlassen des
Kongo am 23. Sept. nochmals eine Reihe Kontrollotungen vorgenommen. Der Bericht des Kommandos
hierüber lautet folgendermaßen:
«S. M. S. „Möwe“ steuerte am 7. September mittags die Kongo-Mündung an, in der Absicht, am
Abend in Sicht von Land eine sichere Positionsbestimmung zu bekommen, die als Ausgangspunkt für
die beabsichtigten Lotungen dienen sollte. Am Morgen war der Himmel völlig bedeckt und die An
steuerung geschah auf Grund einer Sternstandlinie vom vorhergehenden Abend mit Hilfe der Motor
lotmaschine. Kurz vor der Kulmination der Sonne gelang es, eine Breitenstandlinie zu bekommen, die
zusammen mit einer Längenstandlinie ca. l h 35 Nm. ein einwandfreies Besteck ergab. Nach dem Besteck
und Lotungen stand das Schiff vor der unterseeischen Talrinne des Kongo, deren voraussichtliche Lage
aus den Lotungen in der englischen Seekarte 625 hervorging. In absoluter Übereinstimmung mit dieser
Karte trat S. M. S. „Möwe“ gegen 3 h in die Rinne ein (s. Kontrollinie A auf der Karte, Taf. 2. Es gelang
bei den folgenden Lotungen nach Kurs und Distanz mehrmals das Besteck durch Sonnenstandlinie als
richtig festzustellen. Häufige Strombeobachtungen ergaben in ihren Richtungen sehr verschiedenartige,
*) Scott. Geogr. Magaz. 1887, S. 222 ff., vergl. auch Krümmel, Handbuch der Ozeanographie, Bd. I, 2. Aufl., S. 112.
Archiv lau. 1.