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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1913 Nr. 1 —
I. Kapitel.
Die Horizontalsonnenuhr oder die Bazithah (Basita).
Über ihre Herstellung erfahren wir zum ersten Mal Näheres bei Al-Battäni In seinem schon
erwähnten Werke lehrt er die Konstruktion zweier Horizontaluhren (für die Breiten von 36° und 38°, da
sein Beobachtungsort Raqqa unter dem 36 Grad n. Br. lag): „Man nehme eine Marmor- oder Kupferplatte
von rechteckiger Gestalt, so daß die Breite 2 / 3 der Länge ist; in der halben Breite und 2 / 3 der Länge mar
kiere man den Mittelpunkt eines Kreises, den man um denselben mit beliebigem Radius beschreibt. Darauf
teile mau durch 2 senkrecht aufeinander stehende Durchmesser den Umfang in Quadranten von 90° oder,
sofern es geeignet erscheint, von 2° zu 2° oder 3° zu 3°, verzeichne hierauf die Schatten des Stabes, wann
die Sonne im Krebs und Steinbock läuft, für jede der 6 ungleichen Stunden, desgleichen die Schatten des
Widders. (Ost-Westlinie). Darauf nehme man ein Lineal, welches zum wenigsten dem längsten Schatten
des Steinbocks gleichkommt und markiere damit auf dem Zifferblatt das Ende des Schattens in der mittels
des geteilten Kreises bestimmten Richtung. Besorgt man dies für jede Stunde, so wird man den Tagbogen
des ganzen Steinbocks haben. Ist dieselbe Operation auch für den Wendekreis des Krebses durchgeführt,
so gibt die Verbindung je zweier entsprechenden Punkte dieser (Tages-) Kurven durch Gerade die Stunden
linien“. Noch zwei andere Vorschriften teilt Albategnius mit, die aber weniger exakt sind als diese.
Man findet sie, wie auch die obige, bei Delam bre (a. a. 0. pag. 56 und 57).
Zur näheren Erläuterung der vorstehenden Konstruktion, die im wesentlichen bei allen arabischen
Astronomen dieselbe blieb, sei auf Fig. 1 verwiesen. Es fiel der Fußpunkt des Gnomons, dessen Höhe 12
Einheiten (Finger) des Maßstabs betrug, mit dem Mittelpunkt des erwähnten Kreises zusammen. Diese Höhe
sei für ein und alle Mal mit q bezeichnet. Zunächst mußte nun für eine gegebene Breite die Dauer des
kürzesten und längsten Tages, wo die Sonne im Anfang des Steinbocks, bezw. Krebses steht, festgestellt
werden, welche Aufgabe Al-Battäni, sich ganz an Ptolemaeus anschließend, mit Hilfe der Funda-
mentalformeln für das rechtwinklige sphärische Dreieck löste'), wobei er allerdings die halben Sehnen der
Griechen durch den Sinus der Inder ersetzt. Der zu einem dieser halben Tage gehörige Stundenwinkel s„
findet sich einfach dadurch, daß man im sphärischen Dreieck Zenit-Pol-Sonne den Kosinussatz:
cos (90°—h) = cos (90°—</). cos (90°—¿) -f- sin (90°—</). sin (90°—i). cos s
d. i. sin h = sin ij>. sin e cos </>. cos e . cos s
anschreibt und nach dem zum Auf- oder Untergang der Sonne (h = 0) gehörigen Stundenwinkel s u auf löst,
wodurch man erhält:
cos s 0 — — tan ff (p . tan rj t,
wo i, die Ekliptikschiefe, für das Wintersolstitium durch — s zu ersetzen ist. Der gefundene Tagbogen
wurde in beiden Fällen in 12 gleiche Teile geteilt; die Zeitdauer, welche die Sonne brauchte, um den Bogen
zwischen 2 aequidistanten Teilpunkten zu durchlaufen, nannte man eine temporäre Stunde. Sie war
also im Sommer länger als im Winter. (Vgl. Kapitel III). Die temporäre Stunde beherrschte die Astronomie
auch während der ganzen arabischen Zeit, erst Abul Hassan gebrauchte neben den früheren auch die
gleichen oder Aequinokti a lstunden, die einem Stundenwinkel von 15° entsprechen. Zur Bestimmung
der Schattenlänge m für die einzelnen Stunden war erst die Kenntnis der Sonnenhöhe h nötig, womit sich
dann sofort ergab
m — q . cotg h
Da außer der Breite <p und der Deklination d (e) aber durch die temporäre Stunde auch der Stundemvinkel
s gegeben war, so ließ sich h aus dem oben bereits angeschriebenen Kosinussatz berechnen. In dieser Ge
stalt kannten ihn aber weder Al-Battäni, noch spätere arabische Astronomen, vielmehr zerlegten sie
') Vgl. A. von Braiuimühl, Vorlesungen über Geschickte der Trigonometrie, Leipzig, 1900—1903, 2 Bände, I Bd., pag. 25.