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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1913 Nr. 2 —
Um nun eine Entscheidung über die günstigste Wahl der Zenitdistanz treffen zu können, hat man auf
Grund der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Summe der Quadrate der Faktoren von d u\ und d u L zu bilden und
zu untersuchen, für welchen Wert von z diese Summe ihren kleinsten Betrag erreicht. Vernachlässigt man
den konstanten Faktor
P
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so ist also die günstigste Wahl an die Bedingung geknüpft
oder
sin 1 {z + K) sin 2 (z — K)
sm- z
sm-z
Minimum
cos
■ K + — Minimum.
Dieser Ausdruck erreicht für 2" = 90° seinen kleinsten Wert. Wenn es nun auch nicht möglich ist, die
Beobachtung bei dieser Zenitdistanz auszuführen, so muß jedenfalls, um dem Minimalwerte nahe zu bleiben,
auf die Benutzung großer Zenitdistanzen Bedacht genommen werden.
Aber auch aus instrumentellen Gründen ist die Wahl großer Zenitdistanzen empfehlenswert. Nach
dem „Handbuch für Küstenvermessungen“, S. 133, treten die Instrumentalfehler c und i mit den Faktoren
cosecz und cotg z in die Azimutbestimmung ein*); diese beiden Funktionen sind bei großen Zenitdistanzen
numerisch klein. Der Einfluß eines fehlerhaft bestimmten Kollimationsfehlers läßt sich nun zwar durch Be
nutzung des Instruments in beiden Lagen aus der Azimutbestimmung wieder beseitigen, die gleiche Möglich
keit ist aber bezüglich der Neigung nicht vorhanden, da diese bei jeder Sternbeobachtung von Neuem er
mittelt werden muß. - Erfahrungsgemäß kommen aber gerade bei tragbaren Instrumenten stark fehlerhafte
Werte von i verhältnismäßig oft vor, da erstens nur Niveaus von ziemlich großem Teilwert benutzt werden
können, und da zweitens jede Verunreinigung der Achsen durch Staub oder eine nicht ganz vorsichtige
Handhabung bei einem Instrument von kleinen Ausmessungen schon erheblich verfälschend auf die Niveau-
ablesungen einwirken. Es liegt deshalb auch hier die Notwendigkeit vor, Sterne von großer Zenitdistanz
zu wählen, damit die Neigung mit einem möglichst kleinen Faktor in das Ergebnis der Azimutbestimmung
eintritt. — Freilich darf man in dieser Hinsicht auch nicht zu weit gehen, da andererseits die Zuverlässig
keit der Durchgangs-Beobachtung in unmittelbarer Nähe des Horizonts durch unregelmäßige seitliche Strahlen
brechung beeinträchtigt wird. Es möge deshalb als Regel empfohlen werden, daß im allgemeinen Zenit
distanzen zwischen 60° und 73° (etwa) gewählt werden. In dieser Höhe pflegen die eben erwähnten seit
lichen Verschiebungen nicht mehr erheblich aufzutreten; außerdem kann man immer noch bequem die Be
obachtung ohne Okularprisma ausführen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß gerade durch das Auf- und
Abschrauben, sowie durch das Wenden des Prismas, selbst bei sorgfältiger Behandlung, Veränderungen des
Kollimationsfehlers während der Beobachtung fast unvermeidlich sind; außerdem ist das Beobachten ohne
Prisma vorzuziehen, weil dann das Gesichtsfeld größer ist.
Es ist schließlich noch dafür Sorge zu tragen, daß auch die Fehler ausgeschaltet werden, die aus
der Ungleichheit der Zapfen herrühren. Man erreicht dies in einfacher Weise dadurch, daß man nach ein
ander das Instrument in beiden Lagen benutzt und jedes Mal ein Sternpaar beobachtet. Die Zenitdistanzen
müssen also bei allen vier Durchgangsbeobachtungen innerhalb der Grenzen einiger Grade einander gleich
sein. Eine anderweitige Berücksichtigung jener oft recht erheblichen Fehlerquelle durch eine sorgfältige
Zapfenuntersuchung kann dem Forschungsreisenden weder zugemutet noch empfohlen werden, da das Er
gebnis bei kleinen Instrumenten schon nach kurzer Zeit hinfällig zu werden pflegt in Folge der Verstaubung
und Abnutzung der Achsen sowie durch Erschütterungen während der Reise.
§ 3. Auswahl der Sterne.
Die für die Beobachtung geeigneten Sterne w r erden auf Grund der folgenden Betrachtungen durch
ein graphisches Verfahren ermittelt. Es sei D (Figur 1) der Schnittpunkt zwischen dem Himmelsaequator
und dem Vertikalkreise des irdischen Gegenstandes. Verbindet man einerseits D durch eine Gerade mit
dem Erdmittelpunkt und andererseits durch einen Bogen größten Kreises PD O mit dem Himmelspol, so
wird die Erdoberfläche durch die erstgenannte Gerade in einem Punkte Do getroffen, der die folgenden
*) Yergl. auch § 5, Formeln 15 und IC.