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Full text: 36, 1913

Dr. Carl Schoy: Arabische Gnomonik. 
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VI. Kapitel. 
Die arabischen Vertikaluhren. 
Sie alle zeichnen sich durch einen Stylus aus, der senkrecht auf der Uhrebene steht und niemals 
zum Himmelspol gerichtet ist. Daß bei den Islamiten neben dem Gnomon auch der Polos, das ist ein zur 
Weltachse paralleler Sonnemveiser, konstruiert wurde, ist eine öfters ausgesprochene aber nicht bewiesene 
Behauptung. 1 ) Wir haben bei der Lektüre derjenigen arabischen Astronomen, deren Schriften in europäische 
Sprachen übersetzt sind, von Al-Battäni bis auf Abul Hassan keinen einzigen Polos gefunden. Und doch 
sollen nach R. Wolf 1 ) sich abendländische Schriftsteller dahin ausgesprochen haben, daß sie die Kenntnis 
des Polos den Arabern verdanken. 2 ) Wir sind jedoch mit Marie 3 ) der Meinung, daß das mohammedanische 
Volk aus religiösen Gründen nur einseitig Gnomone konstruierte. Bereits im 1. Kapitel dieser Abhandlung 
erwähnten wir, daß wir uns über diese Frage in unserem Aufsatz: „Die arabische Sonnenuhr in ihrer Be 
deutung usw.“ S. 246 schon eingehend geäußert hätten. Wir haben daselbst ausgeführt, daß ein eigener 
Beamter am Minareh oder auf dem freien Platz, wo sich eine Bazithah befand, diese unausgesetzt zu be 
wachen und dann durch Ausruf den Moment bekannt zu geben hatte, wo der Schatten des senkrechten 
Zeigers auf die Qibla fiel. Dann wies aber auch der Körperschaften eines jeden Gläubigen ihm von selbst 
die Richtung zur Ka’ba, und die in diesem Falle so einfache Orientierung wird ihm, falls er sich fern von 
der Moschee im Felde befand, bei der Verrichtung seiner täglichen Gebete von Nutzen gewesen sein. Außer 
dem würde ein Polos, besonders in sehr niedren Breiten durch seine geringe Neigung zum Horizont un 
praktisch geworden sein; ein vertikaler Stab schien dem Muselmann bei der Erfüllung seiner religiösen 
Pflichten am zweckdienlichsten. 
Die Vertikaluhren waren auch dem Altertum nicht unbekannt, und die Araber haben hinsichtlich 
derselben verschiedene Vorschriften von den Griechen übernommen. Die Guonomik Al-Battänis weist 
jedoch nichts derartiges auf, erst bei Ibn Junis erfahren wir interessante Details. Alle gnomonischen Fragen 
an den Vertikaluhren, deren Ebenen in den 4 Kardinalrichtungen liegen, löst er ausschließlich mit Hilfe 
des rechtwinkligen sphärischen Dreiecks; seine eigenartige Bestimmung des Asr, deren wir bereits gedachten, 
wird uns nächstdem noch eingehend beschäftigen. Er sagt, daß noch niemand vor ihm von einer solchen 
Behandlung der Vertikaluhren gesprochen habe. Zuletzt (Cap XXVI seiner Hakimitischen Tafeln, Vgl. 
Delambre a. a. 0. pag. 129-131) gibt er noch Vorschriften für einen Vertikalcadran, dessen Deklination 
(Abweichung vom Meridian) bekannt ist. 
Aber erst bei Abul Hassan treffen wir auch in dieser Hinsicht wiederum die nötigen Ausführlich 
keit. Er behandelt gleichmäßig 
1) Vertikale in der Meridianebene, 
2) Solche über der Ost-Westlinie, 
3) Von den Kardinalrichtungen um irgend ein Azimut u (Deklination) abweichende Vertikale 
(französ. Déclinants), 
4) Zum Horizont inklinierende und zu den Kardinalrichtungen deklinierende Uhrebenen, wobei 
jedoch der Gnomon eine dem Horizont parallele Richtung hat. 
Diese Gruppe von Sonnenuhren ist auch in modernen wissenschaftlichen Werken über Guonomik 
schon behandelt worden. Man findet darüber näheres bei J. J. von Littrow: Gnomonik, 2. Aufl., Wien, 
1838 (pag. 54 ff.) und bei J. Mollet: Gnomonique graphique, 7. Aufl., Paris 1884 (pag. 16 ff.). Allein 
1) Vergl. daz.u: R. Wolf: Geschichte der Astronomie, München. 1S77 pag. 143, sowie Handbuch der Astronomie, 
Zürich 1891 — 93, II. Bd., pag. 4-29, und auch: J. Drecker: Gnomone und Sonnenuhren, Aachen, 1909 S. 21. 
2) Möglich ist ja, daß die Araber den Polos wohl kannten, sowie ihnen schon von Al-Battäni ab die aequi- 
noktialen Stunden bekannt waren, ohne daß sie sich ihrer bedienten. (Vergl. Opus astronom. I, p. 29 und 95) daß auch 
Ihn Junis mit den gleichen Stunden Bescheid wußte, folgt aus J. J. Sédiilot: Traité usw. pag. 247. Nach R. Wolf: 
Geschichte der Astronomie, pag. 5, sollen schon die Chaldäer, Babylonier und Griechen die gleichen Stunden gekannt haben, 
doch sind seine Angaben ohne Quellennachweis und deshalb fast wertlos. 
3 ) Vgl. Marie: Histoire des sciences mathématiques et physiques (H. Vol. pag. 141).
	        
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