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Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1007
Draht, der schräg über den Hochspannungs- Leitungen gezogen ist, so daß der
Drachendraht nur in deu seltensten Fällen die Leitungen berühren und, wenn
dies geschieht, sofort durchschmelzen wird. Im Süden von der Station zwischen
den Dichtungen SSO und WSW bleibt allerdings auch jetzt ein Teil Leitung
ungeschützt, weil die Seewarte auf den Schutz der Strecke Berliner Tor bis
Blankenese von vornherein verzichtet hat; dies geschah in der Erwägung, daß
einerseits die Gefahren der inneru Stadt ohnedies so bedeutend sind, daß die
Station sich nach dieser Richtung vorsichtigste Beschränkung auferlegen muß,
andererseits Fälle von Abreißen der Drachen bei Winden zwischen N und NO seit
dem Bestehen der Station nur sehr selten vorgekommen sind. Entscheidend für
die Arbeitsfähigkeit der Station ist, daß ihr jetzt die Richtungen NNO bis SSO,
nach der die weitaus meisten Aufstiege erfolgen, wieder unbehindert offen stehen.
Der wichtigste Fortschritt der Station war der Ersatz des 1-pferdigen
Spiritusmotors durch einen 2 'sj-pferdigon Elektromotor. Leider konnte der neue
Motor erst am 25. Oktober in Betrieb genommen werden, weil die Siemens-
Schuckert-Werke, teils durch langwierige Verhandlungen mit den Behörden, teils
durch einen langen Monteur-Streik aufgohalten, erst an diesem Tage die Her
stellung der Zuleitung beendigten. Durch das Entgegenkommen der Straßenbahn
und der Hamburger Elektrizitätswerke bezieht die Station die elektrische Kraft
von der Bahnleitung, und zwar mittelst einer doppelten Zweigleitung, von der
nur die letzten 60 m zwischen Stationsgebäude und Windenhaus unterirdisch, der
Rest von etwa 870 m oberirdisch geführt ist. Die großen Vorzüge des elektrischen
Betriebs machten sich um so mehr bemerkbar, als der Spiritusmotor, der im Juli
noch ziemlich gut funktioniert hatte, vom August an seinen Dienst immer mehr
versagte.
Für die Übertragung der Kraft vom Elektromotor auf die Winde wurden
die beiden Dreistufen-Scheiben und die Treibriemen beibehalten und die Touren
zahl der ersten Scheibe durch 2 Zahnräder von 1400, der Umdrehungszahl des
Motors, auf 560 in der Minute herabgesetzt; der Spiritusmotor hatte durch
schnittlich 360. Die Geschwindigkeiten des Drahts sind daher jetzt ohne Ver
minderung 1.3, 2.5 und 4.4 m in der Sekunde; sie lassen sich durch die Regulier-
Widerstände bis auf 0.8, 1.5 und 2.6 m herabsetzen. Es stehen also jetzt Einhol
geschwindigkeiten von 0.8 bis 4.4 mps zur Wahl frei, was bei dem Betriebe
durchaus genügt. Mit 2.5 mps überwindet der Motor 68 kg Zug, auf kurze Zeiten
auch größeren; da das zeitraubende Ankurbeln wegfällt, so ist der Wechsel von
einem Gang zum andern jetzt sehr einfach; durch die dreistufigen Scheiben aber
wurde es möglich, mit einem 2'/2-pferdigen Motor auszukommeu und wird der
Betrieb, da meist mit ausgeschaltetem Regulator gearbeitet wird, sehr billig. Das
Einholen von 1 km Draht dauert jetzt, wenn keine Widerstände eingeschaltet sind,
mit langsamem Gang 13, mit mittlerem 7, mit schnellem nicht ganz 4 Minuten.
In gleicher Weise, wie in den letzten Jahresberichten, wird in der unten
stehenden Tabelle ein Einblick in den Betrieb der Drachenstation gegeben. Zum
genaueren Verständnis derselben wird auf das im Bericht für 1905 erläuterte
Beispiel verwiesen. In Zeile 18) bedeutet 1 die Länge des Drahts vom Instrument
drachen bis zum obersten von den Nebendrachen, die zum Tragen des Drachen
drahts angehängt werden; in Zeile 11) und 12) bedeutet L die ganze beim Auf
stieg ausgelassene Drahtlänge, die Zahlen in Zeile 21) geben also den Zug in der
Pause vor Beginn des Einholens an; während des Einholens steigt der Zug zu
nächst um weitere 10 bis 20 kg, je nach Geschwindigkeit des Einholens und des
Windes.