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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1912, Nr. 1.
III. Bewölkung 1 und Sonnenseheindauer.
1. Bestimmung der Bewölkungszali len mit Hilfe der Sonnenscheindauer in
Prozenten des möglichen Maximums.
Bewölkung und Sonnenscheindauer stehen in Wechselbeziehung zueinander. Für die Sonne bilden
die Wolken ein Hemmnis. Daher verzeichnen die Apparate auch größtenteils dann Sonnenschein, wenn
der Himmel wolkenarm erscheint. Oft macht aber die Sonne ihr Recht geltend, auch wenn der Himmel
wenig freundlich lächelt. Daher erweckt es unser Interesse, zu erfahren, inwieweit zwischen Bewölkung
und Sonnenscheindauer Beziehungen bestehen.
Julius Hann schreibt in seinem „Handbuche der Meteorologie“ 1 ) Seite 220 Anm. 1: „In unseren
Klimaten besteht eine einfache Beziehung zwischen den mittleren Bewölkungszahlen und der möglichen
Dauer des Sonnenscheines in Prozenten. Zieht man letzteren von 100 °/o ab, so erhält man genähert die
mittlere Bewölkung (und umgekehrt).“ So fand er für Wien nur geringe Differenzen. Läßt sich diese
Behauptung auch auf unser Gebiet ausdehnen? (Taf. 6.)
Wenn man bedenkt, daß fürs Jahresmittel fast überall die Unterschiede höchstens 15 °/o erreichen,
so kann man obiger Tatsache schon zustimmen. Auf einer Karte,‘die die einfachsten Übersichten bietet,
scheidet die 0°/o-Linie die nördlicheren Regionen von den südlicheren, wo die berechneten Bewölkungs
mittel größer sind als die mit Hilfe der Sonnenscheindauer gefundenen Werte. Diese Grenzlinie beginnt
in Oregon und zieht sich durch den Süden von Canada bis Manitoba hin. Sie setzt sich in Ontario fort,
wo sie die Halbinsel umrahmt, und wendet sich durch das westliche Quebec nach Nova Scotia. In dem
nördlichen Teile begegnen wir nur in Ontario und British Columbia Linien von 5 %. In den Vereinigten
Staaten sind die Unterschiede ein wenig größer, besonders im Innern. In Missouri steigern sie sich
auf 20 °/o.
Dies durch alle Monate zu verfolgen, würde ermüden. Daher begnügen wir uns mit den mittleren
größten und kleinsten Abweichungen, die sich im Laufe des Jahres ergeben. Da die Luft nach
dem Winter und im Winter selbst bedeutend klarer und reiner erscheint als im Sommer, wo unzählige
Staubteilchen die Atmosphäre erfüllen, so sind auch die Abweichungen im Sommer größer als im Winter.
So treten für den größten Teil des Gebietes, besonders für den Süden, den Osten und den Norden
der Vereinigten Staaten, die größten Unterschiede im Sommer ein. Für Canada mit Ausnahme von
Quebec ist es erst im Winter der Fall, ebenso für den Südwesten der Union. Von Californien ostwärts
bis zum Missouri erfolgt dies im Frühling. Dabei ist keine Rücksicht auf die Abweichungen nach der
einen oder anderen Seite genommen worden.
Eine 10 %-Linie umrahmt gewissermaßen das ganze Gebiet. Von British Columbia läßt sie sich
im Westen südlich bis Californien verfolgen. Darauf stiebt sie östlich der Küste in Florida zu. Im Norden
nimmt eine gleiche Linie ihren Anfang in Manitoba. Nachdem diese bis West-Montana einen Bogen west
wärts beschrieben hat, zieht sie sich südöstlich bis ans Südende des Michigan- und Eriesees hin und sucht
nordöstlich die Küste in Nova Scotia auf. Dazwischen nimmt der Unterschied bald kleinere, bald größere
Beträge an, aber kaum mehr als 20°/o. Nur um Columbia (Missouri) steigert er sich auf 25%. Durch
20 % sind Missouri, Kentucky, Ost-New York und Philadelphia ausgezeichnet. Am kleinsten werden die
Unterschiede mit 5% in Westvirginia und West-Tennessee.
In gleicher Weise beschäftigt uns die Frage, wann und mit welchen Beträgen die Unterschiede
zwischen dem berechneten und dem mit Hilfe der Sonnenscheindauer bestimmten Bewölkungsmittel am
geringsten werden.
In Canada ist dies von Westen nach Osten im Sommer, im Frühling und im Herbste der Fall.
Letztere Jahreszeit bringt auch für den Nordosten und den Südwesten der Vereinigten Staaten die kleinsten
Abweichungen. Im übrigen Osten und Süden und im Nordosten der Union begegnen wir im Winter den
kleinsten Werten.
') Julius Harm, Handbuch der Meteorologie, Leipzig 1906.