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Aus dem Archiv' der Deutschen Seewarte. 1911, Nr. 2.
Was die Behandlung des sphärischen Dreiecks anlangt, so bedient sich Hassan neben der
Projektionsmethotle häulig solcher Regeln, die im wesentlichen auf den Kosinussatz hinauslaufen; und
daraus zieht Delambre den Schluß, daß ihn die Westaraber gekannt hätten (Hist, de l'astr. du moyen
äge, S. 187), welcher Meinung von Braunmühl nicht zustimmt, sondern aus dem verschiedenartigen
Aufbau und der wechselnden Gestalt der Sätze folgert, daß der große Marokkaner sie für jeden einzelnen
Fall besonders aus der Figur ableitete und „keine gemeinsame Quelle kannte, aus der sie sich alle
schöpfen ließen“ (a. a. 0. S. 85).
Andererseits ergibt sich aus Nallinos Opus astronomicum des Al-Battäni (Teil t, S. 138), daß
der Zeiger (yvoWov) der Sonnenuhr immer senkrecht auf der Uhrebene oder dem Ziffer
blatt stand 1 ), also bei Vertikaluhren parallel dem Horizont. Solche Uhren findet man jetzt noch an
Kirchen, deren Längsrichtung von Osten nach Westen geht.
1. Bestimmungen der Breite aus dem Zenit—Pol—Sonne—(Stern-) Dreieck.
Obwohl sich unter den Breitenbestimmungen aus dem eben genannten sphärischen Dreieck teil
weise die uns schon bekannten Methoden der Inder und Al-Battänis linden, so glauben wir doch
alles bei Abul-Hassan bezüglich unserer Frage Vorkommende ausführlich mitteilen zu müssen, da wir
bei unserem Gewährsmann eine viel größere Ausführlichkeit treffen. Es heißt im 1. Buche S. 109:
1. v.) „Die Breite eines Ortes (,beled‘) ist ein Kreisbogen (arc de cadran) des
Meridians zwischen Zenit und Äquator, und dieser Bogen ist gleich der Erhebung
des Poles über den Horizont (Polhöhe). Will man die Breite eines irdischen Ortes
bestimmen, so nimmt man die Meridianhöhe der Sonne über dem Horizont dieses
Ortes, und wenn sie — 90° ist und die Sonne keine Deklination hat, so hat der Ort
keine Breite; hat die Sonne aber eine Deklination, so hat der Ort eine Breite, welche
gleich dieser Deklination ist.“
Die Richtigkeit dieser Darlegungen ergibt sich leicht aus der Formel für die Mittagshöhe II der
Sonne bei der Polhöhe 9 und der Deklination + 8:
sin H = cos (9 + 0),
woraus folgt: H= 00 0 — 9+0.
Setzt man hierin H — 90°, so wird für 8 = 0° auch 9 = 0°; im anderen Falle ist 9 8, q. e. d.
ß) „Wenn die gemessene Mittagshöhe der Sonne kleiner als 90° ist und die
Sonne keine Deklination hat, so ziehe man diese Höhe von 90" ab, und der Rest gibt
die Breite des Ortes. Hat die Sonne aber eine Deklination, so füge man sie der be
obachteten Höhe hinzu, wenn beide vom selben Vorzeichen sind, oder man ziehe
sie davon ab, wenn sie von ungleichem Vorzeichen sind, und wenn das Resultat der
Addition oder Subtraktion — 90° ist, so hat der Ort keine Breite, wenn es aber nicht
90° ist, so wird die Differenz auf 90° der Breite des Ortes gleich sein. Statt der Sonne
kann man sich auch eines Sternes bedienen, dessen Deklination und Kulminationshöhe dann bekannt sein muß.“
Auch hier läßt sich die Regel aus der Mittagshöhe der Sonne sofort verifizieren. Aus
= 90 0 — 9 + 0 folgt für 8 = 0:
9 = 90 0 — S.
Ist aber 8^0, so wird
9 «= 90 0 — (H + 8).
Für H + 8 = 90 0 wird 9 = 0 0 q. e. d.
9) Die folgende Methode ist die der Kulminationshöhen eines Zirkumpolarsterns, die hier ebenfalls
vollständiger als bei Al Battäni angegeben ist. Hier heißt es nämlich noch ergänzend: „Wenn aber
die beiden Höhen von verschiedenen Vorzeichen sind, so ziehe man ihre Summe von
180° ab, und die Hälfte des Restes der kleinsten Höhe hinzugefügt, wird der Breite des
’) Trotzdem glaubt R. Wolf (Geschichte der Astronomie, S. 142), daß bei den Arabern auch der Polos, d. i. ein
Sonnenzeiger, der nach dem Weltpol gerichtet ist, kultiviert wurde, eine Ansicht, der auch J. Drecker (Gnomone und
Sonnenuhren, 1909, S. 21), zustimmt. Wir konnten jedoch in der arabischen Gnomonik nirgends einen solchen finden.