Die geschichtliche Entwicklung der Polhiihenbostimmnngen bei den älteren Völkern.
eigenen Sternwarte in Knidos den Stern Kanopus int Horizonte observierte, den er früber am ägyptischen
Himmel gesichtet hatte. Den ersten Gnomon soll Anaxi inan der in Sparta aufgestcllt haben 1 ). Wie
von Kratos th en es und llipparch, so besitzen wir auch von den Schriften des Eudoxus nur
fragmentarische Mitteilungen anderer Schriftsteller, aus denen Ideler' 2 ), Aug. Böckh 3 ), Schi aparelli 4 )
und Künßberg 5 ) seine astronomischen Leistungen zusammenhängend darzustellen sich liemiihten. Danach
muh es ein wissenschaftliches Werk des Geographen Eudoxus gegeben haben, und besonders
Strabo (IT, C. 119) berichtet, daß von ihm zum erstenmal die „Schiefe des Himmels“ —also doch
wohl die Polhöhe — bestimmt worden sei, allerdings ohne nähere Angabe des Verfahrens*). Jedenfalls
wurde Eudoxus durch den Aufenthalt sowohl in Ägypten als auch Italien, wo ihn sein Sternkatalog zu
unausgesetzten Beobachtungen zwang, auf die Veränderlichkeit der Pol höhe aufmerksam.
Ob diese wechselnde Schiefe des Himmels, ob zölcstischc Phänomene (Kugelgestalt des Mondes,
dm- Sonne und kreisförmiger Schatten der Erde bei Mondfinsternissen) oder oft ausgedehnte philosophische
Spekulationen die Pythagoreer auf die Lehre von der Kugelgestalt der Erde gebracht haben, läßt sich
ebensowenig beantworten wie die Frage, welchem der Pythagoreer hierin die Priorität gebührt 7 ). Viel
erklärt sich die allmähliche Ausbildung der
Zonenlehre als Folge der verschiedenen
die
Jlimmelserscheinungen und HeleuchtungsVerhältnisse auf der Erde, die mit Parmenides, dem zweiten
Vertreter der eleatischen Schule, ihren Abschluß fand 8 ). Planmäßige Beobachtungen am Gnomon
linden wir wold zuerst bei Pythons von Massilia, einem ungefähren Zeitgenossen von Aristoteles,
von Dikaearch und Polybius als durchaus unglaubwürdig hingestellt, aber von Hipparch anerkannt
und auch in neuerer Zeit wieder gerechter beurteilt 9 ), ln seiner Vaterstadt hatte er die Länge des
Gnomonschattens zur Zeit des Sommcrsolstitiums gemessen und gefunden, daß sie sich zur Höhe des
Gnomons wie IH/o:12<) verhalte 10 ). Wenn bei ihm selbst auch keine numerischen Daten über die
Ekliptikschiefe und die Breite Massilias nachzuweisen sind, so kann doch kein Zweifel bestehen, daß er
an verschiedenen Orten auf Leisen, selbst im hohen Norden, bemüht war, Material für Polhöhen-
bestimmungen zu sammeln. Sehr interessant und für unsere Studien äußerst wertvoll sind die lichtvollen
Ausführungen H. Bergers (a. a. 0. S. 339 Jf.), wonach bereits Pytheas zur Ermittlung der Polliöhc
die obere und untere Kulm i nationshöhe der Zirk um polarster ne gemessen und durch
Bildung des arithmetischen Mittels jene Methode befolgt hätte, die wir zuerst sicher bei dem arabischen
hi + Yyj r führen die betreffende Stelle bei
Astronomen Al-Battäni nachweisen können
(•? - + *■).
Berger wörtlich an: „Um zu diesem Ergebnis zu gelangen (gemeint ist die genaue Festlegung des Ortes
des Poles) kann Pytheas kaum einen anderen Weg eingeschlagcn haben als den, durch fortgesetzte
Versuche die oberen und unteren Kulminationen der Zirkunipolarsterne zu finden und
zu vergleichen. Er muß bei dieser Arbeit ein wenn auch noch so einfaches Instrument gehabt haben,
mit dessen Hilfe er, so gut es ging, imstande war, Horizontabstände zu fassen, im Kreise hermnzulegen
oder nach einem geteilten Kreise zu bestimmen, vielleicht nur ein zirkelartiges Winkelinstrument mit
drehbaren Schenkeln, mit einer Dioptra versehen. Die Unentbehrlichkeit eines solchen Instrumentes für
die Arbeiten des Eudoxus, Pytheas, Aristvllus und Timocharis, für die Behandlung des Erd-
!) Nach v. Brauumiihls Vorlesungen, I. Bd., Is. 5 von Diogenes Laertius erzählt, I, e. 1 und 2, der es aus
den Denkwürdigkeiten des Hieronymus, eines Schülers von Aristoteles, schöpft.
-) L. Ideler, Über Eudoxus, Abhandl. d. Kgl. Akad. d. Wiss. zu Berlin, hist.-philolog. Kl. 1828, S. 200.
B ) A. Böckh, Über die vierzigjährigen Sonnenkreise der Alten, vorzügl. d. Eudoxischen, 1863, S. 10.
4 ) Schiaparelli, Lc sfere omocentriche di Eudosso, di Calippo e di Aristotele. (9. Bd. der Publikationen des
Observatoriums der Brera zu Mailand.)
5 ) II. Kiinßberg, Eudoxus von Knidos (Programm der Realschule zu Dinkelsbühl, 1888). (Norbert Herz gibt
in seiner Geschichte der Bahnbestimmung der Planeten und Kometen, Leipzig 1887, S. 18 als Hauptquelle für Eudoxus
Simplicius an. [Freundl. briefl. Mitteilung v. Herrn Prof. H. Michnik in Beuthen. Ob.-Schlesien].)
e ) R. Wolf, Handbuch der Astronomie, ihrer Geschichte und Literatur, 1891—93, II. Bd., S. 79.
; ) Vgl. über nähere Details: Hugo Berger, Geschichte der Wissenschaft!. Erdkunde der Griechen, 1903, S. 171 ff.
s ) Ebenda S. 197 ff.
9 ) A. Schmidt, Zu Pytheas v. Massilia, Programm d. Gymnasiums-Landau, 1876.
,0 ) Strabo II, C. 134. (Die Breite von Marseille [Massilia] ist 43° 17' n. Nimmt man j für die damalige Zeit zu
23° 45' 10", so findet sieh aus Pytheas’ Daten für seine Vaterstadt v = 42° 57' 33".)