Ergebnisse einer ozeanographischen Forschungsreise in dem Atlantischen und dem südöstlichen Stillen Ozean.
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Leider gibt, es bisher keine Feuchtigkeitsmessungen direkt an der Meeresoberfläche, aber ich erhielt bei
einer gröberen Anzahl Messungen, ab 3 m Höhe bis zu 52 m Höhe, niemals nennenswerte Differenzen der
Feuchtigkeit. Wenn die unterste Schicht reichlich gesättigt wäre, müßte auch noch einige Meter höher
sich ein Abfall gegen größere Höhen von 20—50 m zeigen. Falls tatsächlich eine starke Anreicherung der
unteren Schichten über dem Meere durch die Verdunstung stattfindet, so müßte weiter in Landferne die relative
Feuchtigkeit sehr hoch sein. Gerade die Passate, deren Gebiet bei der Verdunstung die Hauptrolle spielt,
wehen von höheren nach niedere Breiten, und gewinnen dadurch ständig und beträchtlich an Aufnahme
fähigkeit für Wasserdampf, da sie stark erwärmt werden. Die Feuchtigkeit der Luft auf dem
Meere wird im allgemeinen aber noch überschätzt. Man vergleiche die Tabellen S. 18—28 und 68.
Neueste exakte Messungen Dr. H. Meyers 1 ) ergaben zwischen den Wendekreisen im Atlantischen Ozean
— also mit Stillengebiet — unter 80% relative Feuchtigkeit als Gesamtmittel. Es wird, durch den
Wind beeinflußt, die Verdunstung auf dem Meere größer sein als auf entsprechenden Landgewässern.
Weiter ist die Zahl und Verteilung der Brücknerschen Stationen, was Brückner auch
selbst bedauert, höchst ungünstig. Die meisten Beobachtungen sind zwischen 40 und 55° nördlicher
Breite in England und Frankreich gemacht. Dazu einige in Neu-Südwales, Messungen an den Wasserwerken
in Bombay und die am Nicaraguasee; das ist alles. Alle anderen Breitenzonenwerte sind durch graphische
Interpolation aus diesen gefunden. Das Ergebnis der Berechnung zeigt, daß die Werte für die erste Auf
stellung der Bilanz des Wasserkreislaufes, bei der überhaupt zunächst nur die Größenordnung festgestellt
werden soll, genügen; um jetzt aber genauere Werte zu finden, muß mehr gefordert werden, da bei den
wenigen Zahlen lokale Einflüsse zu stark in Rechnung gehen, und große, wichtige Klimagebiete ganz fehlen.
Schließlich spielt die Meinung, daß die Verdunstung auf dem Meere eher kleiner sein wird als die, die aus
Landbeobachtungen gewonnenen Zahlen angeben, eine Rolle. Dem läßt sich, wie schon früher erwähnt, ent
gegenhalten, daß im allgemeinen die Meeresoberfläche eine höhere Temperatur als die darüber
liegende Luft hat, wodurch die Verdunstung begünstigt wirdwährend bei größeren Bassins und kleineren
Landscen meist die Lufttemperatur höher ist. Durch obige Meinung sieht Brückner sich auch ver
anlaßt, höhere Werte zu verwerfen. Aus St. Helena liegen Beobachtungen vor, für die ein 12 cm
weites Glasgefäß benutzt wurde, das in einem weit größeren Holzgefäß mit Wasser stand. Ergebnis war
in den Jahren 1862—64 jährlich 212,8 cm Verdunstung. Selbst wenn dieser im Passat erzielte Wert etwas
zu hoch sein sollte, so hätte er doch wenigstens erniedrigt gewertet werden können. Bei Benutzung des
St.-Helena-Wertes mit 20% Abzug wäre der Wert von 150 cm für 10—20° Breite, der jetzt nur aus den
zwei Messungen von Bombay und vom Nicaraguasee stammt und den einzigen tropischen Wert vorstellt,
auf vielleicht 160—165 cm erhöht worden, und die Gesamtverdunstung hätte dann die obere Grenze des
Brücknerschen Maximalwertes 384000 + 50000 cbm als mittleren Wert erreicht. Brückner sagt selbst,
daß seine Zahlen für die Kahnenzone etwas zu groß, für die Passatzone vielleicht etwas zu klein sind;
aber das etwas ist doch ziemlich viel und fällt bei der gewaltigen Größe der Passatgebiete sehr
stark in Rechnung, während die Kalmenzone dagegen in den Hintergrund tritt.
Fassen wir zusammen, so dürfte nach den Ausführungen der Schluß erlaubt sein, daß der Brück*
nersehe Wert für die Gesamtverdunstung auf dem Meere, der lediglich aus Landbeobachtungen stammt
und besonders die Passatregionen nicht genügend in Rechnung zieht, zu niedrig ist. Brückner gibt nun
selbst als oberen Grenzwert 384000 + 50000=434000 cbm. Unsere Fehlerwahrscheinlichkeit wurde auf
+ 10% angegeben, d. h. der untere Grenzwert ist rund 456000 cbm.
Die Differenz ist nunmehr nur 22000 cbm; eine Zahl, die gegenüber den in Betracht kommenden
Größen verschwindend ist. Halten wir daran fest, daß die Brückner sehe Zahl zu niedrig ist, und nehmen
wir den ungünstigsten Fall, daß unser auf Beobachtung beruhender Wert um 10 °/o erniedrigt werden muß,
so darf man wohl rund 450000 cbm als das der Wirklichkeit sehr nahe kommende MindestYolumen der
jährlich auf den Meeren verdunsteten Wassermasse auuehmen. Daraus ergibt sich dann der Regenfall auf
dem Meere gleich rund 420000 cbm. Die Bilanz des Wasserhaushaltes der Erde ist somit
auf anderer Grundlage neu bestimmt.
*) W. Brenneckc, Luft- und Wassertemperatur sowie relative Feuchtigkeit beobachtet auf eiuer Reise nach der
Westküste Südamerikas und zurück von Dr. Harry Meyer. Annalen der Hydr. usw. 1911, S. 64.
4 ) Krümmel a. a. O. S. "246.