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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1911, Nr. 1.
dann in verschiedenen Veröffentlichungen *) den Nachweis zu führen gesucht, daß die Niederschlagsmengen,
die auf dem Festland fallen, zu einem sehr erheblichen Teil nicht den Wasserdampfmassen der Ozeane
entstammen, sondern Wasserdampfmengen, die vom Lande aus durch Verdunstung der Atmosphäre zu
geführt werden; eine Anschauung, die schon vordem Supan und Woeikof vertreten hatten. Das Schluß
glied bildete schließlich 1905 die Aufstellung der Bilanz des Wasserkreislaufes * 2 ), auf die hier näher ein
gegangen werden wird. Allerdings sollen dabei nicht die Zahlen Brückners benutzt werden, sondern die
auf seine Veranlassung von Fritzsche 3 ) durch Neuberechnungen der Abllußmengen der Flüsse und der
Niederschläge auf dem Lande gewonnenen, ein wenig abweichenden Werte.
Prinzipiell ist ein Unterschied nicht vorhanden.
Brückners Gedankengang, der hier nur in Kürze wiederholt werden kann, war folgender 4 ): Zunächst
sind die Annahmen berechtigt, daß 1. das Klima der Erde in kleineren, nichtgeologischen Zeiträumen
konstant ist, daß 2. im Jahresdurchschnitt nur unerhebliche Mengen Wasser im Boden dauernd ver
schwinden, daß 3. auch nur geringe Mengen Wasser, die außerdem die unter 2. kompensieren, in vulka
nischen Dämpfen aus dem Erdinnern an die Oberfläche treten. Bei diesen Annahmen muß der gesamte
Niederschlag auf der Erde gleich der gesamten Verdunstung sein, da ja das Niveau des Meeres unver
ändert bleibt.
N=V (1)
Nun setzen sich Niederschlag und Verdunstung aus je zwei Komponenten zusammen; der Verdunstung von
Meer (V M ) und Land (F<) sowie dem Niederschlag auf dem Meer (N m ) und dem Land GVj), Daher
V m +V,= N m +N, (2)
Da das Meeresniveau trotz der jährlichen Zufuhr der Flußwasser (F) konstant bleibt, so muß die Ver
dunstung auf dem Meere größer sein als der Niederschlag auf dem Meer, und zwar um den Betrag der
jährlichen Zufuhr.
V„,—W m = F (3)
Wir hätten also in den zwei Gleichungen (2 und 3) fünf Glieder des Wasserk reisl auf es, die zu bestimmen sind.
Zunächst läßt sich der Regenfall auf dem Lande nach den vorliegenden Karten (Supan) mit ge
nügender Genauigkeit berechnen. Fritzsche erhält rund 112000 cbm. Ebenso genügt die Berechnung
der Wasserzufuhr völlig. Sie ist — gleichfalls nach Fritzsche — 30640 cbm. Durch Einsetzung dieser
Werte in die Gleichungen lindet man dann die Verdunstung auf dem Lande gleich 81360 cbm. Es wären
also bestimmt die drei Glieder Flußzufuhr, Niederschlag auf dem Lande, Verdunstung auf dem Lande.
Unbekannt bleiben Niederschlag und Verdunstung auf dem Meere; d. h. die Lösung des ganzen
Problems liegt auf dem Meere. Nun könnte man den Niederschlag auf dem Meere durch Regen
messungen auf Schiffen erhalten, aber dem stehen zu große Schwierigkeiten entgegen. Bei der Ver
änderlichkeit der Regenmenge und des Beobachtungsortes müßte man wohl jahrzehntelang auf vielen
Schiffen Niederschläge messen, um leidliche Mittelwerte zu erhalten. Also ist die Bestimmung der Ver
dunstung auf dem Meere das einzige Mittel, und Brückner benutzt es auch. Wie in dem einleitenden
Kapitel auseinandergesetzt wurde, standen bisher zu diesem Zwecke Verdunstungsmessungen auf dem Meer
nicht zur Verfügung, und Brückner konnte auch nur auf die Größe der Verdunstung nach Messungen
auf dem Lande schließen. Er stellt die Werte, die an größeren und kleineren natürlichen Wasserflächen
sowie Wasserbassins gewonnen sind, nach Breitenzonen zusammen und findet dann — nachdem noch zur
Einrechnung der geringeren Verdunstung des Seewassers 5°/o abgezogen sind — durch Interpolation Werte
für alle Breitenzonen. (Tab. 21).
Diese Zahlen multipliziert mit dem Areal der Wasserfläche der 10 Gradzonen ergeben dann die Ver
dunstung auf dem Meere in der Größe von 384 000 cbm. Daraus berechnet sich der Niederschlag auf dem
Meere als letztes Glied auf 353360 cbm, so daß nunmehr alle fünf Glieder bekannt sind.
>) Ausführlich in Brückner, Die Herkunft des Regens. Geogr. Ztschr. 1900, S. 89.
2 ) Brückner, Die Bilanz des.Kreislaufs des Wassers auf der Erde. Geogr. Ztschr. 190-5, S. 436.
? ) Fritzsche, Niederschlag, Abfluß und Verdunstung auf den Landflächen der Erde. Diss. Halle 1906.
4 ) Eine kurze Darstellung, die hier zur Wiedergabe mit benutzt ist, findet sich bei Meinardus, Über den Kreislauf
des Wassers, Sitzungsber. des Naturhist. Ver. f. Rlieinl. u. Westf. 1908, Bonn 1909. In dieser Arbeit wird zum erstenmal
auch die Dauer des Kreislaufes berechnet auf Grund der Zahlen von Brückner und Fritzsche.