Nr. 1.
Die unperiodischen Schwankungen der Niederschläge und die Hungersnöte in
Deutsch-Ostafrika.
Von Dr. Eduard Krcmer.
Erster Hauptteil.
Die unperiodischen Schwankungen der Niederschläge in Deutsch-Ostafrika.
A. Einleitung.
Von großem praktischem wie theoretischem Wort ist die Erforschung der unperiodischen Schwankungen
der klimatischen Elemente. Unperiodischo Schwankungen kommen zustande durch die Abweichungen der
Einzelwerte von vieljährigen Mittelwerten, die in der Klimatologie gewöhnlich für Monate und Jahre be
rechnet werden. Je mehr sich ein klimatologischer Wert, z. B. die Monatssumme des Niederschlags, für
einen bestimmten Ort der Erdoberfläche vom Mittel entfernt, desto größer ist seine unperiodische
Schwankung.
Solche Untersuchungen erfordern, wenn sic ein hohes Maß von Genauigkeit anstreben, zuverlässige
Mittelwerte, die wiederum nur aus langen Reihen von Beobachtungen gewonnen werden können. Man
nennt diese Worte Nor m a 1 m i 11 e 1.
In Deutsch-Ostafrika, dessen unperiodische Schwankungen der Niederschläge im folgenden zu unter
suchen sind, läßt sich für keine einzige Station ein Normalmittel berechnen. Man muß sich vielmehr hier
mit rohen Mitteln begnügen, die eine nicht so lange Beobachtungsdauer voraussetzen. Denn Normal-
mittel erfordern z. B. für die J ah ress um men des Niederschlags europäischer Stationen 30-bis 40 jährige
exakte und ununterbrochene Messungen 1 ). Je größer die Abweichungen sind, desto mehr Jahrgänge
müssen zur Berechnung der Normalmittel herangezogen werden.
Für die Monatssummen sind naturgemäß weit längere Zeiträume erforderlich. Man könnte es
darum für verfrüht halten, wenn im ersten Hauptteil dieser Abhandlung für zwei Stationen — Tanga
und Daressalam — aus 15jährigen Beobachtungen die mittleren Abweichungen der Monatssummen be
rechnet wurden. Es wurde jedoch aus dem Grunde nicht unterlassen, weil zum Vergleich von Stationen
untereinander — und das ist der Hauptzweck des ersten Teils — schon Werte aus wenigen Jahrgängen
dann wertvolle Resultate ergeben, wenn die gleichen Jahrgänge zur Berechnung verwandt werden. So
sind auch aus 5- und 6jährigen Beobachtungen Mittel für einige Stationen ausgerechnet worden.
Im übrigen ist die Berechnung der mittleren Abweichungen der Monatssummen ja auch nicht
von dem praktischen Wert, wie die der Abweichungen größerer Zeiträume, z. B. der Jahre.
Erstreckt sich das Bcobachtungsmaterial auf einen langen Zeitraum, so ist man in der Lage, die
unperiodischen Schwankungen wieder auf ihre etwaige Periodizität zu prüfen. Die Untersuchung der un
periodischen Schwankungen wird so gewissermaßen wieder zu einer solchen der periodischen, saecularen.
1. Das Beobachtungsmaterial.
Die ersten exakten meteorologischen Beobachtungen im deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiet sind
in der Zeit vom Februar 1881 bis Februar 1882 von den Mitgliedern der Expedition der afrikanischen
Gesellschaft in Deutschland, Dr. Böhm, Dr. Kayser und P. Reichard in Kakoma und Igonda, südlich von
Tabora angestellt worden. Da sie sich nur auf einen kurzen Zeitraum erstrecken, kamen sie für eine
Untersuchung der unperiodischen Schwankungen nicht in Betracht.
Etwa ein Dezennium später, im Jahre 1891 begannen die meteorologischen Beobachtungen von
neuem und zwar im Süden, an den Stationen Lindi und Kilwa. Es folgten das Kondeland und
weitere Stationen der Küste. Die Etappenplätze an der Uberlandroute nach Tabora, Kilossa, Mpapua, *
') G. Hell manu, Die Niederschläge in den norddeutschen Stromgebieten, Berlin 1906. Bd. I, S. 41.
Archiv 1910. I. 1