Die unperiodischen Schwankungen der Niederschläge und die Hungersnöte in Deutsch-Ostafrika.
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Hungersnöten, die durch Dürren verursacht waren, gelitten zu haben. Sie können sicher einmal für den
gefährdetcren Norden von Bedeutung werden.
Die Kultur der Bewohner spielt schließlich auch eine Rolle. Der Deutsch-Ostafrikaner lebt
zunt weitaus größten Teil aus der Hand in den Mund. Was er geerntet, verzehrt er alsbald, ans Auf
bewahren der gewonnenen Vorräte denkt er nicht, oder er scheut die Schwierigkeiten, sie vor Insekten
und Rattenfraß zu schützen. Stellenweise im Innern hat der Eingeborene die kompliziertesten Speicher
erfunden, ohne daß dieselben ihren Zweck immer erreichten 1 ).
Wie oben erwähnt, können auch natürliche Wasser Vorräte — Flüsse, Quellen — zur Bewässerung
herangezogen werden. Der Nil, die Flüsse des Punjab, der Ganges, der Mississippi und andere Ströme
der Erde sind auf diese Weise in den Dienst des Menschen gezwungen worden. Es sind meist Flüsse,
die ihr Wasser aus unerschöpflichen Reservoiren, den niederschlagsreichen Hochgebirgen der Erde be
ziehen. Flüsse von kurzem Lauf, die in niedrigen Gebirgen entspringen, werden in Dürrejahren ebenso
an Wassermangel leiden wie ihre Umgebung. Stau- und Bewässerungsanlagen erfordern aber ein gewisses
Maß von Kultur, das wir beim Ostafrikaner vergeblich suchen.
C. Die Regenzeiten in Sansibar und die Hungersnöte an der ostafrikanischen Küste.
Zur weiteren Prüfung des im ersten Abschnitt dieses Hauptteils ausgeführten Vergleichs der Nieder
schläge an der Ostküste Afrikas habe ich die Hungersnöte in dem Hinterland der Küstenstationen mit den
Regenzeiten in Sansibar verglichen. Denn war die vorher dargelegte Übereinstimmung nicht gerade zufällig,
so mußte sie auch hier noch zu erkennen sein.
Dürre-Hungersnöte verdanken in dem Gebiet, das ich im ersten Teil der Abhandlung mit II be-
zeic.hnete, ihre Entstehung der schlechten Verteilung (Verspätung) oder dem mehr oder weniger fühlbaren Aus
bleiben der Regenzeiten. Deren gibt es zu Sansibar jährlich zwei, die auch zu Daressalam noch deut
lich zu erkennen sind. Im Gebiet von Tanga kommt eine dritte hinzu, die ebenfalls für die Landwirtschaft
von großer Bedeutung ist.
Wegen der genaueren Kenntnis der Hungersnöte im Bezirk II, vor allem aber wegen der geringen
Entfernung dieses Bezirks von Sansibar wurden hier nur dessen Hungersnöte zusammen mit den Regen
zeiten zu Sansibar betrachtet. In einzelnen Fällen, wo in der Provinz II die Berichte mangelhaft waren,
wurden auch solche der Provinz I und des benachbarten Teils Britisch-Ostafrikas herangezogen. Dann
mußte aber die Gewähr vorliegen, daß die betreffenden Hungersnöte nicht auf einem Ausbleiben der
dritten Regenzeit beruhten.
Sansibar.
Große (März bis Mai) und kleine (Oktober bis Dezember) Regenzeit in Millimetern.
Große R.-Z.
Kleine R.-Z.
Große R.-Z.
Kleine R.-Z.
Große R.-Z.
Kleine R -
1874
665
295
1884
587
>379
1899
1181
252
1875
812
521
1900
824
614
1876
914
427
1891
»395
>289
1901
1022
326
1877
503
784
1892
586
260
1902
715
613
1878
616
411
1893
885
474
1903
629
475
1879
—
—•
1894
478
602
1904
1054
637
1880
686
304
1895
473
340
1905
1159
357
1881
543
473
1896
662
670
1906
1221
660
1882
779
326
1897
1025
217
Mittel
730 2 )
435
1883
542
128
1898
288
232
Im Dezember 1876 und in den ersten Monaten von 1877 herrschte Hungersnot auf der nördlichen
Ki lim an d sch aro -Route: Mombasa—Teita—Kilimandscharo; sic hatte ihren Grund in einer anormalen Aus
bildung der voraufgehenden kleinen Regenzeit Zu Sansibar war diese zwar nur 8 mm unter dem
Mittel, hatte sich aber beträchtlich verspätet. Zum mindesten erstreckt sich diese Verspätung auf den
Monat Oktober, der bei einem langjährigen Mittel von 93 mm diesmal nur 3 mm Niederschlag hatte; sie
') Denkschriften über die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete. Berichtsjahr 1907/08, S. 29.
-) Die Mittel beider Regenzeiten sind durch Summierung der betreffenden Monatsmittel gewonnen.