Die unperiodisehen Schwankungen der Niederschläge und die Hungersnöte in Deutsch-Ostairika.
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der deutschen Schutzgebiete, die im Anschluß an das deutsche Kolonialblatt erscheinen, und hier
für die Jahre 1893 bis 1900 die Berichte über Eingeborenen- und Europäerkulturen geliefert haben.
An der Zuverlässigkeit der zweiten und dritten Quelle kann nicht gezweifelt werden.
Weniger vertrauenswürdig sind die Reiseberichte von Forschern; da sie in der Regel nur durchreisen, sind
sie nicht so orientiert wie Beamte der Regierung oder Missionare, die Land und Leute durch längeren
Aufenthalt kennen. Doch unterlassen auch jene es nie, über die wirtschaftliche Lage des besuchten Landes
Aufschlüsse zu geben. Denn Expeditionen ei forderten zu Beginn der Forschertätigkeit ein ganzes Heer
von Trägern und Soldaten, deren Verpflegung die Hauptrolle spielte. Von Hungersnot betroffene Länder
mußten vermieden werden, wollte man nicht die Karawane in die gefährlichste Lage bringen. Somit
war es nötig, vor Antritt einer Reise Erkundigungen einzuziehen und danach seine Route zu wählen.
Kam man trotzdem durch Hungergebiete, so war die Verproviantierung der Karawane den größten Schwierig
keiten ausgesetzt, und darum sind die Tagebücher solcher Expeditionen, wenn sie auch noch so wenig
Wissenschaftliches enthalten, für diese Untersuchung im selben Maße zu verwenden wie die Aufzeichnungen
des streng wissenschaftlichen Forschers.
Wie übereinstimmend die Berichte der Gewährsmänner lauten, zeigt der Vergleich eines Hungerjahres
mit einem Normaljahr.
Auf der nördlichen Kilimandscharo-Route reist im Mai und Juni 1884 С. E. Gis sing von Mombasa
nach Teita zum Ndaraberg und zurück nach Mombasa. Er berichtet von außerordentlich trockenem Jahr
und verspäteter Regenzeit. J. Thomson kommt auf dem Rückweg vom Viktoria-See ebenfalls durch
Teita und berichtet von Hungersnot in Teita, im Ndi und in Ndara. Der Missionar J. L. Last, der im Nguru-
gebirge weilt, erwähnt ungewöhnliche Dürre. G. A. Fischer reist 1885 von Pangani zum Viktoria-See
und schildert die große Hungersnot zu Mgcra im Jahre 1884. Weiß und Jühlke, die 1885 von Pangani
aus den Kilimandscharo besuchen, H. II. Jo linst on und Л. Bloyet, der Leiter der französischen Station
Kondoa in Usagara erwähnen ebenfalls die große Hungersnot von 1884. Der französische Konsul
zu Sansibar zählt die Landschaften auf, die seines Wissens von der Hungersnot heimgesucht worden sind,
es sind Udoe, Useguha, Uawere, Urunguru, Ukami und Usagara. Die katholischen Missionsstationen
Bagamojo und Morogoro hatten ebenfalls schwer zu leiden. Zu alledem kommt noch eine Notiz von
C. Peters, wonach 1884 Hungersnot herrschte von Abessinien bis Mozambique. Zwei Reisende finden
wir in diesem Jahre im Süden des heutigen Deutsch-Ostafrika, den Geologen Angelvy, der im Auftrag
des Sultans von Sansibar am Rovuma nach Kohlenlagern forschte, und den Missionar W. C. Porter auf
dem Wege von Majeje-Hill zum Livingstonegebirge. Beide machen keine Andeutung über Hungersnot
(vgl. Chronik der Hungersnöte, S. 30).
Vergleichen wir damit ein Normaljahr, z. B. das voraufgehende, 1883. Die Berichte von elf Ex
peditionen sind für dieses Jahr durchgelesen und außerdem ist die Notiz der Missionsstation Bagamojo
verwertet worden. Es wird nirgends Hungersnot erwähnt; nur gegen Ende des Jahres beginnt die
Dürre zu Bagamojo drohend zu werden. Das kommende Hungerjahr kündigt sich an.
Was die Ausdehnung des Untersuchungsgebiets angeht, so deckt es sich nicht genau
mit unserem heutigen Sclmtzggebiet; es greift besonders im Norden weit nach Britisch-Ostafrika über,
während die übrigen Grenzen annähernd mit denen Deutsch-Ostafrikas zusammenfallen. Daß einer Er
weiterung des Untersuchungsgebiets im Nordosten der Kolonie nichts im Wege stand, lehrt der vorauf
gegangene Vergleich der Niederschlagsschwankungen an der ostafrikanischen Küste.
Wie aus der Zusammenstellung (S. 30ff.) zu ersehen ist, sind in den ersten Jahren die Berichte
außerordentlich dürftig, sie mehren sich mit der wachsenden Kolonisation durch die Europäer. Mombasa
und sein Hinterland sind zuerst in diesem Teile Ostafrikas von Europäern besiedelt worden, darum
sind zu Anfang der Untersuchung Reiseberichte aus diesem Gebiete am häufigsten. Im Jahre 1844 ließ
sicli hier der württembergisclie Missionar T)r. Krapf nieder, dem bald Rebmann und Erhard folgten.
Ivrapf und Rebmann wirkten auf der Mission zu Rabai, unternahmen Reisen in das heute deutsche Schutz
gebiet und entdeckten den Kilimandscharo.
Die übrigen Teile Deutsch-Ostafrikas sind später von Europäern durchzogen worden. Der große
Li vingstone drang erst, nachdem Burton undSpeko auf der Karawanenstraße Bagamojo—Tabora das
innere Hochland erreicht und die großen Seen entdeckt hatten, ins deutsche Schutzgebiet ein. Mit Aus-
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