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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1910, Nr. 2.
in den Fällen, wo die Kuppen der Kantabrisehen Gebirgsstöcke (Peñas de Europa) vom Schneesturin
umbraust werden, und die eisige Luftströmung gleich einem Wasserfalle über die steilen Gehänge in den
Kantabrisehen Meerbusen und den Golf von Biscaya hinabstürzen, dringen die Schneeflocken selten bis
zur Küste vor. Denn nach den Lehren der mechanischen Wärmetheorie erwärmt sich der Fallwind, indem
er in tiefere, dichtere Luftschichten gelangt, durch Kompression, und zwar für je 100 m Herabsinkens
um 1 0 0 l ); dementsprechend entfernt sich sein Feuchtigkeitszustand vom Sättigungspunkte. Diese gleich
zeitige Erhöhung der Temperatur und Trockenheit der herabsteigenden Luftmassen reicht in zahlreichen
Fällen aus, die mitgeführten Sehneekrystalle aufzulösen, und so verlieren die Schneeflocken meistens schon,
bevor sie den Boden erreichen, ihren starren Zustand und fallen entweder als Regen nieder oder bleiben
in der Luft als Wasserdampf schwebend zurück. Den zahlengemäßen Ausdruck finden diese Verhältnisse
auf dem für den Schneefall leeseitigen Abfall des Kantabrisehen Gebirges und der Westpyrenäen in unserer
Tabelle, wo gegenüber 19 jährlichen Schneetagen in Ordufia und 12 solchen Tagen in Vergara, Bilbao und
San Sebastian nur mit 5 Schneetagen auftreten. Dasselbe Verhalten stellt sich unter gleichen physi
kalischen und topographischen Bedingungen in Oviedo einerseits und Llanes und Santander andererseits
ein. Während Llanes und Santander nur 2 Sclmeetage notieren, steigt ihre Zahl in der nur 244 m hoch
gelegenen Kreidemulde von Oviedo bereits auf 5.
Unter ähnlichen Verhältnissen weist einerseits La Coruña 0,4 und andererseits Santiago in 271 m
Meereshöhe 2,7 Sclmeetage auf. Es erübrigt schließlich noch, kurz auf die Abnahme der Schneefälle am
Südabhange der Pyrenäen hinzuweisen. Jaca in 829 m Seehöhe zählt noch 14 Tage mit Schnee jährlich,
in Pamplona sinkt ihre Zahl schon auf 10, und in Tafalla kommen nur noch 9 Sclmeetage im Jahre zur
Beobachtung. Logroño endlich bildet mit 6 Tagen den Übergang zu der Norm, welche für das Ebrobecken
Geltung hat.
Der Hauptanteil der bisher betrachteten Jahressumme der Sclmeetage gehört naturgemäß dem
Winter an. Die Beobachtungen auf der Hochstation der Serra da Estrella aber ergeben, daß dem an
Schneetagen reichen Winter ein daran fast ebenso reicher Frühling folgt. Dieses Verhalten des Frühlings
findet seine Erklärung darin, daß sich in dieser Jahreszeit das Gebirge viel langsamer erwärmt als die
Niederungen. Infolgedessen erhalten sich auf den Hochgipfeln auch viel länger Temperaturen, welche
Schneefällen günstig sind.
Die Kälterückfälle des Frühlings bewirken es, daß auch in den tieferen Lagen überall der Frühling
an Schneehäufigkeit den Herbst übertrifft. Insbesondere ist es der rauhe erste Frühlingsmonat März, der
mehrfach eine erhöhte Frequenz der winterlichen Niederschlagsform aufweist. In diesem Verhalten bildet
er auch an den Küstendistrikten keine Ausnahme.
Was die Verteilung der Häufigkeit der Schneefälle in der Jahresperiode anbetrifft, so sind unter
den Monaten der Dezember und Januar, besonders der letztere, an Schneefällen am reichsten. An den
meisten Stationen erlangt, wie bereits hervorgehoben, der März ein sekundäres Maximum. Im April und
noch mehr im Mai sinkt die Wahrscheinlichkeitskurve des Schneefalls rasch ab. In ziemlich gleichmäßiger
Verteilung gibt es auf der altkastilischen Hochebene und im Ebrobccken noch im Mai 2—8 Schnee
tage im Zeitraum eines Dezenniums, an den Küstenstationen dagegen bleibt dieser Monat durchweg schon
ohne Schneefälle. Der Sommer ist naturgemäß überall die schneefreie Jahreszeit, nur in den Hochlagen
der Serra da Estrella läßt sich der winterliche Gast noch in zehn Jahren im Juni einmal sehen, in
Guarda sogar zweimal. An dieser letzteren Station ist der August der einzige schneefreie Monat, es
sei denn, daß die im Juli 1864 daselbst verzeichneten 5 Schneefälle in Wirklichkeit vielleicht nur Graupel
fälle waren.
In der Meereshöhe von Segovia und Avila (1000—1100 m) stellt sich in der zweiten Jahreshälfte
schon im September einmal in 10 Jahren der erste Schneefall ein. Unterhalb der Isohypse von 1000 m
bleibt auch dieser Monat noch schneefrei. An einzelnen Stationen des Tafellandes und des Ebrobeckens,
sowie der Meeresküste kann dies selbst noch vom Oktober behauptet werden. Im November notieren be
reits durchweg alle Stationen Schneefall. Seine Häufigkeit nimmt von nun an rasch zu und erreicht, wie
bereits erwähnt, im Dezember und besonders im Januar das Jahresmaximum.
9 flann, Klimatologie, I, S. 264.