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Aus dem Archiv der Deutschen Seewürfe. 1910, Nr. 2.
des atmosphärischen Wasserdampfes; denn sie erreicht auf der Nordseite des kantabrisclien Gebirges und
auf der Westseite des portugiesischen Hochlandes Summen, welche bei einem sanften Anstiege zum
Iberischen Tafellande nicht zu erwarten wären. In Santiago z. B. mißt in nur 271 m Meereshöhe die
jährliche Niederschlagsmenge fast das Doppelte des in La Coruña aufgezeichneten Betrages.
Der physikalische Zusammenhang zwischen dem Belief des Landes und der Änderung der Nieder
schlagshöhen ist klar. Wenn die regenbringenden Winde über dem warmen atlantischen Ozean und
kantabrischen Meer reichlich mit Wasserdampf beladen landeinwärts wellen, so werden sie genötigt , an
den mehr oder weniger quer zu ihrer Bichtung gestellten Lehnen der Küstengebirge hinanzusteigen. Da
bekanntlich die Temperatur mit zumehmender Seeliöhe rasch abnimmt, so wird die reichliche Feuchtigkeit
durch die Abkühlung sehr bald dem Taupunkte zugeführt, und damit wird eine ergiebige Kondensation
eingeleitet. Aus solchen Verhältnissen geht in allen Klimaten eine Vermehrung der Niederschläge in den
Gebirgen hervor, insbesondere, wenn diese mehr oder minder quer zu der Bichtung der regenbringenden
Winde streichen. Hierbei erfährt der vom Winde getroffene Abhang, die Luvseite, die reichlichste
Steigerung der Kondensation. Wenn der Luftstrom nach Überschreitung des Höhenzuges herabsinkt und
sich erwärmt, also vom Taupunkte entfernt, so vermindert sich wieder der Niederschlag. Infolgedessen
ist die vom Begenwinde abgekelirte Seite des Gebirges, die Leeseite, wesentlicli trockener. Schon mit
der Annäherung an das Gebirge nimmt die Kondensation zu, andererseits nimmt auch die Leeseite anfänglich
noch an der Steigerung des Niederschlages teil. Der Grund für diese Erscheinung liegt darin, daß die fort
bewegte Luft schon in größerer Entfernung von dem sich ihr entgcgenstcllenden Hindernis zum Aufsteigen
gezwungen wird, und andererseits die angenommene Bewegungsrichtung nach Überwindung des Hinder
nisses eine Strecke hindurch noch beibehält. Je mächtiger die Bodenerhebung ist, desto wirksamer muß
sie offenbar die Verdichtung des atmosphärischen Wasserdampfes begünstigen. In unserem Falle vereinigen
sich die hierbei maßgebenden Bedingungen wie die Geschwindigkeit des Aufstieges der Luft längs steiler
Böschungen, ursprünglicher Feuchtigkeitsgehalt der Luft am Fuße des Gebirges und die Abnahme der
Temperatur mit der Höhe in wunderbarem Zusammentreffen, sodaß das kantabrisclie Gebirge, wie auch
das galicisclie Bergland und das Hochland von Nordportugal ein großartiges Beispiel für den Einfluß einer
Bodenerhebung auf den Begenfall bieten. Die folgende Übersicht 23 veranschaulicht die besprochenen
Verhältnisse. Die Stationen reihen sich von Ost nach West, dem natürlichen Verlauf der Küste und der
Gebirgsmassen folgend, vom kantabrischen Meer und dem atlantischen Ozean landeinwärts, senkrecht zum
Streichen der Gebirge aneinander.
Tabelle 23.
Verteilung der Regenmengen zu beiden Seiten des kantabrischen Gebirges, des galieisclien lierg-
landes und des Hochlandes von Nordportugal.
Entfernung
Seehöhe
Jährl.
vom Kamme l )
liegenmenge
(km)
(m)
(cm)
Bilbao
20
17
120
Llanes . . . ,
25
27
92
Oviedo
40
244
91
*o
Santander
43
14
86
m
>
2
La Coruña . .
135
24
87
Santiago
125
271
158
Porto • ■ •
62
100
131
Ona
45
581
57
o
Leon
51
850
39
<£>
Valladolid
175
715
32
<D
hH
Moncorvo . ■
70
415
61
Salamanca
192
811
27
1 ) Bei der Bestimmung der Entfernungen der Stationen vom Kamme der Gebirge kann es sieh natürlich nur um an-
gcnäherte Werte handeln.