Die Stürme und die Sturmwarnungen an der deutschen Küste in den Jahren 1896 bis 1905.
31
§ 37. Die Änderungen der Sturmerfolg- und Signalerfolgprozente von 1886/95 bis 1896/05, .¡Ins
Tabelle XVII ersehen wir, daß die von den Fehlwarnungen unabhängigen, auf Grundlage der Sturmtage
und der Sturmphänomene abgeleiteten Sturinerfolgprozente an der ganzen Ostsee für beide Jahreszeiten
zugenommen haben, mit der alleinigen Ausnahme der westlichen Ostsee für Mai/August hinsichtlich der
Sturmphänomene. Die Signalerfolgprozente hingegen sind durchweg niedriger als für das vorangehende Jahr
zehnt; wir haben aber gesehen, daß dieser Mißerfolg wohl nur scheinbar ist, indem er nämlich darauf
zurückzuführen ist, daß die Zahl der Fehlwarnungen für dieses .Jahrzehnt zu liocli berechnet worden und
in Wirklichkeit niedriger gewesen ist. Daß sich der Sturmerfolg für die Nordsee im Mittel um etwa 5 %
niedriger als für das vorangehende Jahrzent ergibt, findet seine Erklärung vermutlich darin, daß die Zahl
der Sturmwarnungsstellen erheblich größer geworden ist, worauf auch die verhältnismäßig große Zunahme
der Sturmtage von der Gruppenstärke 0 hinweist. Ein solcher Einfluß besteht auch für die preußische
Küste, doch wird er für jenes Gebiet vermutlich durch die gewiß in höherem Grade vorliegende Besserung
der Sturmwarnungen aufgehoben bzw. gemildert.
Wieweit aus den Änderungen der Sturmerfolg- und Signalerfolgprozente auf eine Wertsteigerung der
Sturmwarnungen geschlossen werden darf, ergibt sich aus den Betrachtungen des vorangehenden Paragraphen.
Unter Berücksichtigung der liier an einem großen Teil der Fehlwarnungen geübten zu scharfen Kritik dürfte
sich ergeben, daß an der Ostsee der Gesamterfolg eine Steigerung erfahren hat, und daß der Sturmerfolg
ohne eine entsprechende Abnahme des Signalerfolges gewachsen ist.
Schlufsbetraehtung’en.
Durch Heranziehung der Tagebücher der Provinzialsturmwarnungsstellen ist es möglich gewiesen,
der Bearbeitung dieses Jahrzehnts eine teilweise sehr erheblich breitere Grundlage zu geben, so daß wir
jedenfalls zu einer zuverlässigeren Darstellung von dem Verhalten der Stürme an unserer Küste gelangen
mußten; dies gilt besonders hinsichtlich der Nordsee- und der preußischen Küste, wo eine weit größere
Häufigkeit von stürmischen Winden als für das vorangehende Jahrzehnt im Vergleich mit den übrigen
Gebieten gefunden worden ist. Die aus dem vorigen Dezennium abgeleitete Verteilung der Stürme über
unserer Küste muß eine zum Teil erhebliche Änderung erfahren. Nicht Rügen und Umgebung, sondern die
preußische Küste hat die meisten Stürme. Sieht man von den leichtesten Sturmerscheinungen ab, so nimmt
die Sturmhäufigkeit von der Nordsee nach Osten hin zu; dabei hat Rügen als das weit nach Norden vor
geschobene Gebiet verhältnismäßig viele Stürme und bedingt hierdurch eine für die westliche Ostsee- und die
hinterpommersche Küste gefundene Unstetigkeit in der west-ostwärts gerichteten Zunahme, die jedoch bei
einer Vermehrung der Stationen über diesen Gebieten gewiß auch erheblich abnehmen würde. Von Rügen
ostwärts treffen wir dabei von den schwereren Sturmerscheinungen prozentisch etwa dreimal so viel wie
an der Nordsee an.
Die Verteilung der Stürme über unserer Küste wird besonders hervorgerufen durch die beiden Haupt
typen unserer Stürme aus westlichen Richtungen, diejenigen, die sich von Westen nach Osten ausbreiten
und diejenigen, die in Verbindung mit Depressionen über Nordosteuropa auftreten und sich westwärts aus
dehnen. Von 100 Sturmphänomenen der Nordsee berühren durchschnittlich 70 die preußische Küste,
während unter 100 Sturmphänomenen der preußischen Küste nur 47 auch an der Nordseeküste auftreten.
Dies ist besonders darauf zurückzuführen, daß jene zweite Kategorie von westlichen Stürmen in hohem Grade
auf die östliche Ostsee beschränkt ist; sie ist es, der wir den Sturmreichtum im Osten und besonders auch
im Sommer zuzuschreiben haben.
Wie für das vorangehende Jahrzehnt, ist das Ergebnis der Sturmwarnungen für die stürmischen
Winde aus östlichen Richtungen wenig zufriedenstellend und der Erfolg in den Monaten Mai/August er
heblich ungünstiger als für die Monate September/April; zum größten Teil ist dies gewiß der Einrichtung
des Abenddienstes auf der Seewürfe während der letzteren Zeit von Mitte September bis Ende April
zuzuschreiben. Das Ergebnis für die Stürme aus westlichen Richtungen und besonders in den kalten
Monaten ist ganz erheblich besser.
Die Erfolgberechnung wurde wieder in zweierlei Weise durchgeführt, und zwar einmal auf Sturmtage
und Sturmphänomene und das anderemal auf die Sturmwarnungen gegründet, da diese zweierlei Erfolgw r erte,
der Sturmerfolg und der Signalerfolg, zur richtigen Beurteilung des Erfolges nötig sind.