Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1908, Nr. 8.
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Temperaturverhältnisse von Norderney auch auf die der Vergleiclisstationen auszudehnen und so eine
kleine klimatologische Skizze über die Temperatur von Ostfriesland zu geben.
Hierzu wurden folgende Stationen als geeignet herangezogen:
1. Borkum, Inselstation, 33 km nach WSW gelegen;
2. Emden, am Dollart, 48 km nach S gelegen;
3. Jever, in der Oldenburgischen Landschaft Wangerland, 52 km nach ESE gelegen, von der
Nordseeküste 15, vom Jadebusen 11 km entfernt;
4. Helgoland, Inselstation, 70 km nach NE gelegen.
Die Beobachtungstermine waren in Borkum 8 a, 2 p, 8 p, in Emden bis 1880 einschließlich 0 a, 2 p, 10 p,
von 1887 an 7a, 2p, 9p, in Jever 7a, 2p, 9p und in Helgoland bis 1880 Ga, 2p, 10p, von 1887 an
7 a, 2 p, 9 p. Hiernach liegen für den Morgentermin von Norderney (8 a) gleichzeitige Beobachtungen nur
von Borkum vor, für den Mittagstermin (2p) von allen Vergleichsstationen und für den Abendtermin (10p)
von Emden und Helgoland bis 1880. Aus dieser Verschiedenheit der Beobachtungstermine ergab sich die
Notwendigkeit ungewöhnlich mühsamer Vorberechnungen, welche noch dadurch erschwert wurden, daß in
Emden die Temperaturen bis zum November 1884 in Reaumurgraden abgelesen wurden, was eine Um
rechnung in das hundertteilige Thermometer erheischte. In Anbetracht dieser besonderen Umstände
erscheint es daher geboten, zunächst über die Methoden zu berichten, welche zur Anwendung gelangt
sind, um eine tunlichste Vergleichbarkeit mit den an den Nachbarstationen ermittelten Temperaturen zu
gewinnen.
Selbstverständlich mußte es als ausgeschlossen angesehen werden, sämtliche in zehn Jahren an drei
täglichen Terminen angestellten Beobachtungen (10 950 an der Zahl) oder auch nur die Tagesmittel (3652),
deren Ableitung aus den ungewöhnlichen Ablesungsterminen nicht ohne weiteres zulässig erschien, an
dieser Stelle wiederzugeben. Man mußte sich deshalb auf die Monatsmittel der drei Termine beschränken.
Um Beziehungen zu den Nachbarstationen mit ihren wechselnden Beobachtungszeiten zu gewinnen, blieb
kaum ein anderer Weg übrig als der, aus den vorhandenen Terminsablesungen Werte für die naheliegenden
Termine zu ermitteln, d. h. aus dem Termin 8a die wahrscheinlichen Temperaturen für 7a und 6a, aus
dem 10p-Termin die analogen für 9 p und 8 p abzuleiten.
Diese Aufgabe würde unschwer zu lösen sein, wenn man die tägliche Periode der Temperatur des
betreffenden oder eines in klimatischer Beziehung ähnlich gelegenen Ortes kennen würde. Insofern als diese,
abgesehen von gewissen, wesentlich aus der Bewölkung hervorgehenden Abweichungen, eine Funktion des
Sonnenstandes ist, könnte man sie durch eine einfache graphische Extra- und Interpolation aus den drei
bekannten Terminsablesungen ermitteln, wenn nicht vornehmlich der Morgentermin 8a je nach der
Jahreszeit weit oder äußerst wenig von der Zeit des Sonnenaufganges entfernt liegen würde, während der
Abendtermin 10 p, der auch im Hochsommer noch eine volle Stunde nach Sonnenuntergang fällt, hiervon
erheblich weniger beeinflußt ist. Hierzu kommt noch, daß zur Ermittlung der vor 8a liegenden Temperatur
werte eine stets mißliche Extrapolation erforderlich ist, während für die vor 10p liegenden eine Inter
polation in Frage kommt.
Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die auf diese Weise graphisch ermittelten Werte mit einer
Korrektion zu versehen, welche auf diese Verhältnisse ausreichend Rücksicht nimmt. Eine solche kann
kaum auf andere Weise gewonnen werden, als indem man feststellt, um wieviel tatsächlich beobachtete
Werte von denen abweichen, welche man dadurch gewinnt, daß man in einem Koordinatennetz einer
seits die 8 a- und 2 p-Temperaturen miteinander durch eine Linie verbindet und diese bis auf 7 a und
6a in dem gleichen Zuge verlängert, anderseits zwischen 2p und 10p die auf 8p und 9p entfallenden
Werte abliest.
Nun ist aber offenbar der Betrag dieser Korrektionen von den klimatischen Eigentümlichkeiten des
hierzu herangezogenen Ortes stark abhängig, indem z. B. an einer kontinental gelegenen Station die nächt
liche Temperaturerniedrigung größere Beträge erreicht als an einer küstennahen oder Inselstation. Die
zwischen 8a und 2p gezogene Verbindungslinie wird demnach, vornehmlich im Winter, im ersteren Falle
steiler verlaufen und deshalb für die Extrapolation auf 7 a und 6 a zu niedrige Werte ergeben. Man kann
deshalb, wie oben schon gesagt, nur klimatisch ähnlich gelegene Stationen für diesen Zweck gebrauchen.
Um nun für Norderney zu einem zweckentsprechenden Ergebnis zu gelangen, mußte nach einer
solchen tunlichst ähnlich gelegenen Station Umschau gehalten werden, deren tägliche Periode durch Re
gistrierungen oder stündliche Ablesungen bekannt ist. Hierbei ergab sich nun die für unser hochentwickeltes