(; Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1908, Nr. 2.
I. Berechnung spezieller Störungen
nach den Methoden von v. Oppolzer.
Oppolzer hat in einer Abhandlung 1 ) „Ermittlung der Stbrungswerte in den Koordinaten durch die
Variation entsprechend gewählter Konstanten“ eine Methode zur Berechnung spezieller Störungen vor
geschlagen, die aus einer Verbindung der Variation der Elemente mit der in Polarkoordinatcn besteht
und eine Erweiterung der von ihm in seinem Lehrbuch zur Balmbcstiminung der Kometen und Planeten
(S. 257) entwickelten Methode darstcllt. Die im Lehrbuch gegebene Methode berücksichtigt nur die ersten
Potenzen der Maße des störenden Planeten, während die neue Methode völlig streng ist. Der Hauptvorteil
der Methode besteht darin, daß „niemals die Notwendigkeit ointritt. infolge des Anwachsens der Störungs
werte auf eskalierende Elemente überzugehen, wie man dies bei der Methode der Koordinatenstörungen
oft zu tun genötigt ist“. Der Übergang von den Koordinaten- zu den Elementenstörungen ist bei den Methoden
von Hansen und Encke nur durch langwierige und penible Rechnung zu erreichen. Die Oppolzcrsche
Methode ist von diesem Nachteil frei; man kann jederzeit ohne erhebliche Arbeit und mühsame Rechnung
auf oskulierendc Elemente übergehen, wie weiter unten gezeigt werden soll. Wie bei der Hansen sehen
Methode zur Berechnung absoluter Störungen, werden die Variationen der Flächengeschwindigkeiten, der
Exzentrizität und der Perihellänge berechnet. Mit diesen Variationen werden die Störungen im Radius
vector und in der mittleren Anomalie ermittelt. Bei der Rechnung gelangen nur einfache Integrale
zur Verwendung, nur die Variation der mittleren Anomalie muß durch Doppelintegrale ermittelt werden,
was auch bei der Methode der Variation der Elemente der Fall ist. Diese Oppolzcrsche Methode ist
von Herrn Kuhnert zur Berechnung der Störungen von (153) Hilda 2 ) und von Herrn Matthiessen 3 )
zur Berechnung der Störungen von (107) Camilla angewandt worden. Herr Neugebauer hat die Grund
züge der Methode wiedergegeben 4 ) und danach die Störungen durch Jupiter von [19(1) Pliiloinela berechnet.
Die Störungen des Planeten Hilda werden für den Zeitraum von 22. Oktober 1875 bis 7. April 1886 aus
führlich mitgeteilt. Daraus geht hervor, daß die Störungsbeträge verhältnismäßig klein sind, was in der
Wahl der variierten Konstanten seine Erklärung findet. Aus der Kleinheit der Störungsbeträge kann man
aber nicht auf größere Sicherheit in der Rechnung schließen.
Ein Nachteil der Methode ist, daß „indirekte Glieder“ auftreten, d. h. solche Glieder, zu deren
Berechnung genaue Kenntnis der noch unbekannten Integrale notwendig ist. Da diese Glieder aber erst
nach langen Zeiträumen merklich werden, so kann man sie nachträglich berechnen oder auch mit Hilfe
extrapolierter Werte der Integrale, so daß also direkte Rechnung stets zum Ziele führt. Die Methode
läßt sich jedoch so umgestalten, daß die indirekten Glieder fortfallen, was leicht durch andere Entwicklung
der Differentialgleichungen zu erreichen ist. Oppolzer bemerkt vor der Entwicklung seiner Methode,
„daß die gewonnenen Endformeln ohne Abänderung der Ermittlung der allgemeinen Störungen zugrunde
gelegt werden können, man wird nur die auftretende Integrale in veränderter Form zu entwickeln haben“.
Die indirekten Glieder würden dabei einige Unbequemlichkeit verursachen. Oppolzer wendet dann seine
Methode im „Entwurf einer Mondtheorie“ 6 ) an und bemerkt; „Da aber Veranlassung war. in einigen Punkten
wesentliche Abänderungen Platz greifen zu lassen, so soll, um hier alles Zusammengehörige beieinander
vorzufinden, eine kurze, einheitliche Darstellung der diesbezüglichen Untersuchungen vorgeführt werden.“
Diese Bemerkung bezieht sich auf den eben besprochenen Umstand. Nach dieser zweiten Methode, deren
Formeln Oppolzer auch an anderer Stelle 2 ) mittcilt, haben Oppolzer die Störungen erster Ordnung
durch Jupiter und Saturn von (237) Cölestina und Bidschof die Störungen von Jupiter und Saturn von
(279) Thule 6 ) berechnet. Oppolzer gibt daselbst auch ein für eine Epoche durchgeführtes Beispiel. Da
■) Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 46, 1883.
2 ) Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 93, 1886.
3 ) Inauguraldissertation, Kiel 1896.
4 ) Veröffentlichungen des Königlichen Astronomischen Becheninstituts zu Berlin.
5 ) Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. öl, 1886.
ö ) Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 100, 1891.