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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1906, 2.
sich durch künftige Lotungen wohl bis Öshima (Vries-Insel), am Eingang der Bucht von Yokohama, nach-
weisen lassen; höchstwahrscheinlich wird er durch den von der Yokohama-Bucht nach Süden streichenden
unterseeischen Höhenrücken mit den vielen über den Meeresspiegel aufragenden Inseln (Bonin-Rücken) von
dem tiefen Japanischen Graben getrennt. Vielleicht haben diese zwei Gräben einst im Zusammenhang
gestanden und sind erst durch spätere Hebung des Bonin-Rückens, der sich weiter über die Marianen bis
nach Guam erstreckt, getrennt werden.
7. Geographische Betrachtungen über den Charakter der Gräben 1 ).
Aus den vorangegangenen speziellen Betrachtungen dürfte hervorgehen, daß man es in allen hier
beschriebenen Fällen — morphologisch betrachtet — höchstwahrscheinlich mit Grabenversenkungen zu tun
hat, die längs Verwerfungen stattgefunden haben. Es sind sozusagen Risse oder lange schmale Furchen im
Antlitz der Erde; die durchschnittliche Breite der Grabensohle beträgt nur etwa 10 Sm, bei dem Guam-Graben
bis zu 20 Sm. Der Stille Ozean ist zwar in seiner Gesamtanlage sehr alt; er gilt nach der vorherrschenden
Ansicht für viel älter als der Atlantische und Indische Ozean. Dies hindert nicht, daß die Detailform
der pazifischen Gräben, geologisch gesprochen, höchstwahrscheinlich jugendlichen Alters ist. Die Steilheit
der Böschungen in Verbindung mit dem, was man über das Alter der den Pazifischen Ozean umrandenden
großen Faltengebirge weiß, führt zu der Annahme, daß diese Einsturzräume, zum mindesten der Liu Kiu-
Graben, nicht aus den ältesten geologischen Zeiten herstammen, daß sie vielmehr erst in jüngeren Erd
epochen (Tertiärzeit) entstanden sein dürften. Der
Inselbogen der Liu Kiu birgt einen paläozoischen Kern,
dem sich nach dem Kontinent, also nach NW hin,
eine vulkanische Zone, nach dem Pazifischen Ozean
hin, also nach SO, eine tertiäre Zone anschließt 2 ).
Man hat es in den betrachteten Gebieten offen
bar mit kontinentalen Bruchrändern zu tun, auch da,
wo die Gräben, wie bei Palau, Yap, Guam, an kleine
Inseln, die weit vom heutigen Festland entfernt
liegen, sich anlehnen. Daher erklärt sich auch die auffallende Erscheinung, daß die Gräben als solche
hier im westlichen Teil des Stillen Ozeans immer an der 0- oder SO-Seite der Inseln auftreten, und daß
die Steilabfälle bei sämtlichen Gräben an der Seite der Inseln sich befinden, die nicht nach dem Kontinent,
sondern nach dem freien Ozean zu gelegen ist. Hiermit hängt auch die unsymmetrische Form des Profils,
die für alle Gräben charakteristisch ist, zusammen; man kann sie schematisch durch die beistehende Text
figur kennzeichnen.
Die meisten Insel- und Gräbenzüge in dem westlichen Stillen Ozean bilden wahrscheinlich ehemalige
Kontinentalgrenzen Eurasiens, sie laufen noch den heutigen Festlandsgrenzen vorwiegend parallel.
Es können innere und äußere Bruchränder unterschieden werden. Der innerste und zugleich jüngste
der Bruchränder wird von dem Rande der heutigen Kontinentaltafel, dem sogenannten chinesischen Schelf,
gebildet. Er verläuft westlich von den Liu Kiu-Inseln und parallel zu ihnen und könnte als Chinesische
Rinne bezeichnet werden. Es folgt, weiter nach außen verschoben, der Hauptbruchrand, zu dem der Steil
abfall des Liu Kiu-Grabens gehört. Die Entdeckung dieses Grabens erscheint besonders wichtig, denn man
wird nunmehr heute schon sagen dürfen, daß Aleuten-Graben, Japanischer Graben, Liu Kiu-Graben,
Philippinen- und Talauer-Graben alles nur Teile der großartigen, den nordwestpazifischen Ozean begrenzenden
Absenkungen oder Staffelbrüche sind.
Nicht direkt in Verbindung mit dieser gewaltigen Furche im Antlitz der Erde scheinen die Gräben
von Yap und Palau zu stehen. Sie könnten lokale Grabenversenkungen ähnlich wie das Tote Meer oder
das Rote Meer sein und brauchten dann keine Beziehung zum asiatischen Kontinent zu haben. Dagegen
spricht aber ihr unsymmetrischer Bau, der dem des Liu Kiu-Grabens vollkommen analog ist. Diese Insel
gräben dürften daher auch an alte Kontinentalrander sich anschließen, also an frühere Grenzen eines
’) S. die nachträgliche Bemerkung auf S. 13.
2 ) Vgl. auch v. Richthofen, Die morphologische Stellung von Formosa und den Riukiu-Inseln. Sitz.-Ber. d. Kgl.
Preuß. Ak. der Wiss., Berlin 1902, XV, bes. S. 20/21.