Archiv 1903. 2.
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No. 3.
Bestimmung’ der Polllöhe der Sternwarte zu Heidelberg und ihrer Variation.
Von Dr. August Caspar.
Einleitung.
Eine der besten Methoden zur Bestimmung der Pol hohe ist die Horrebow-Talcott- oder Mikrometer-
Niveau-Methode. Bei ihrer Anwendung erzielt man mit verhältnismäßig kleinen Instrumenten bei geringer
Rechnungsarbeit sehr gute Resultate, die bei geeigneter Anstellung der Beobachtungen nahezu frei von
systematischen Fehlern sind. Der persönliche Felder fällt dadurch fort, daß nur die Unterschiede der
Zenithdistanzen gemessen werden. Der Einfluß der Biegung des Fernrohres und Anomalieen der Refraktion
werden durch angenäherte Erfüllung der auf Seite S angegebenen Bedingungen eliminiert. Kreisteilungs
fehler kommen nicht in Betracht; dafür gehen jedoch Fehler in den angewandten Parswerten der Niveaus
und in den angewandten Schraubenwerten mit dem halben Betrage in die Polhöhe ein. Wegen der an
geführten Vorteile wird die Methode in neuerer Zeit vielfach bei geodätischen Aufgaben angewandt. Doch
muß man sich auf die Richtigkeit der dabei benutzten Sternörter verlassen können, da ein Fehler der De
klinationen mit seinem vollen Betrage in die Polhöhe eingeht.
Noch besser kann man die H.-T.-Methode zur Bestimmung der Polhöhenschwankung benutzen; denn
hierbei können fehlerhafte Sterndeklinationen keinen schädlichen Einfluß ausüben, wenn nur die Eigen
bewegung der beobachteten Sterne bekannt ist. Auch fallen die fortschreitenden Fehler der Schraube nicht
sehr ins Gewicht, wenn die einzelnen Sterne immer nahezu an denselben Stellen des Gesichtsfeldes beob
achtet werden.
Zum ersten Male wurde diese Beobachtungsart zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Pet. Horrebow
im dritten Bande seiner „Opera inathematieo-physioa“ angedeutet. Tob. Mayer empfahl sie dann später
dem dänischen Ingenieurleutnant Karsten Niebuhr, der sie auf seiner Reise nach Arabien (1762—67) mit
gutem Erfolge anwandte. Nachher geriet sie in Vergessenheit und wurde erst von dem Kapitän Andrew
Talcott im Jahre 1857 wieder aufgenommen und verfeinert, sodann von Ly man durch Verbesserung der
Instrumente gefordert. Wie Küstner im Jahre 1888 nachgewiesen hat, kann die H.-T.-Methode auch mit
Vorteil zur Bestimmung der Aberrationskonstante benutzt werden.
Der Zweck dieser Arbeit ist nun, an der neuen Sternwarte „Königstuhl" bei Heidelberg die Polhöhe
zu bestimmen, um eine Kontrole für die am sechszölligen Repsoldschen Meridiankreis gefundene Polhöhe
zu haben, und die Polhöhenschwankung für die Zeit Juli 1900 bis August 1901 festzustellen. Die letztere
Bestimmung hat insofern besonderen Wert, weil sie in dem betreffenden Jahre in Europa außerdem nur
noch ein Mal vorgenommen worden ist. Sämtliche Rechnungen sind doppelt durchgeführt worden.
Das Instrument.
Beschreibung des Instrumentes.
Das Instrument ist ein Bambergsehes Passage-Instrument älterer Konstruktion mit gebrochenem Fern
rohr. Die gußeiserne, durch Diagonalschienen verstärkte Unterlage ruht auf drei Fußschrauben und ist zur
Horizontalstellung mit zwei Niveaus versehen. Auf ihr steht mit drei Fußschrauben der massive gußeiserne
Lagerträger, der durch eine in der Unterlage angebrachte Vorrichtung im Azimut um mehrere Grade drehbar
ist. Auf den Lagern ruht die Umdrehungsachse des gebrochenen Fernrohres. Die Achse ist hold und trägt