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Aas dem Archiv der Deutschen Seewarte — li)03 Ko. 4 —
Auch am Abend finden wir an der Ostsee zur Zeit des Seewindes meist negative Differenzen. Diese
würden ihre Erklärung darin finden, daß die Seewinde auf den zurückliegenderen Stationen am Abend noch
stärker in Wirkung sind als auf den mehr nach See liegenden; dies würde mit der Erfahrung in Einklang
stehen, daß die Seewinde abends landeinwärts absterben.
Aehnlich komplizierte Verhältnisse bietet die Verteilung der Differenzen für den SE-Quadranten,
da auch diese zufolge Tab. III meist für die Minuend- und Subtrahend-Station verschiedene Vorzeichen be
dingen und der Einfluß der Lage ein großer ist. Eine eingehende Diskussion würde uns zu weit führen
und zu weiteren sicheren Schlüssen über die Zeit und die Art des Auftretens der Land- und Seewinde keinen
genügenden Anhalt bieten.
Sucht man an Stelle der Unterschiede der Verteilung der Winde auf je zwei Nacbbarstatiouen deren
mittleren Werte auf, so ergeben sich ebenfalls Zahlen von vielfachem Interesse; sie vermögen aber zu keinen
weiteren Schlußfolgerungen zu führen, da auch die mittleren Werte zweier Nachbarstationen, wenn auch
z. T. in anderer Weise, von den Einflüssen der Lage der Orte nicht frei sind.
D. Schlufsbetrachtung.
Die vorliegende Untersuchung hat, gestützt auf fünfundzwanzigjährige dreimaltägliche Beobachtungen
der zehn Normalbeobaehtungs- und Ergänzungsstationen der Seewarte, den bestimmten Nachweis geliefert,
daß an der deutschen Küste in sehr ausgeprägtem Grade Seewinde auftreten und daß auch im allgemeinen
Landwinde, aber natürlich in weit geringerem Grade anzutreffen sind, wobei unter See- und Landwinden die
einander entgegengesetzten Meereswinde zu verstehen sind, die durch den thermischen Gegensatz von Meer
und Land hervorgerufen weiden und die herrschenden Winde an der Küste ablenken.
Es darf als erwiesen gelten, daß die Seewinde am Nachmittag um 2" Ortszeit sich im April bis August
über die ganze Küste und schon im März wie noch im September über den grüßten Teil des Gebiets er
strecken, daß um 8 h abends nahezu die gleiche Ausdehnung ihres Bereichs besteht und daß bereits um
8 h morgens seit April Seewinde in größerer Verbreitung auftreten. Ihre Stärke nimmt von 8" bis 2 !> zu
und zeigt sich um 8^ im Osten erheblich geringer als um 2 P ; diese Abnahme verringert sich nach Westen
hin, bleibt jedoch für die ganze Osfcseeküste bestehen, während die südlicheren Orte an der Nordseeküste
eine deutliche Zunahme der Stärke zu erkennen gehen; besonders gilt dies von der dem Einfluß der See-
wunde am meisten entzogenen Station Hamburg. Entsprechend ist die Zunahme der Seewinde von 8 H bis
2P an der Ostsee erheblich stärker als an der Nordsee und nimmt nach Westen hin ab. Es ist wahr
scheinlich, daß die Seewinde ihren Höhepunkt der Entwicklung im Osten zeitiger am Nachmittag als im
Westen erreichen.
Von Oktober bis Februar und teilweise noch im März treten am Tage Landwinde in Erscheinung; nur
Borkum hat solche nicht bestimmt erkennen lassen. Ihre Kraft nimmt von Morgen bis Nachmittag ab und
dann bis Abend zu, die Größe ihrer Schwankung ist aber unerheblich, so daß vielfach Abweichungen von
dem ei'warteten Einfluß dieser Intensitätsänderungen auftreten.
Eine bestimmte, den See- und Landwinden gemeinsam als Prinzip zukommende Drehung in einem
täglichen Gange hat sich bei dieser Methode der Untersuchung nicht naclrweisen lassen. Indessen schien
die Erklärung der Erscheinungen mehrfach, wie gezeigt wurde, eine Drehung, durchweg im Sinne des Uhr
zeigers, zu fordern.
Es ergab sich, daß nicht allein die Küste von Memel die Meereswinde gemäß deren Normale ablenkt,
sondern daß sich auch der auf der Ostseite einer Insel gelegene Ort Keitum so verhält, als ob er auf der
gegenüberliegenden nord-siid verlaufenden Westküste läge, so daß sich auch hier dieselbe charakteristische
Verteilung der Winde wie in Memel findet. Ebenso ergab die Inselstation Borkum, daß sich die Wind
verhältnisse denen der gegenüberliegenden Küste, wenigstens bezüglich der Einflüsse der Seewinde vollkommen
anpassen. Wie weit sich die Meereswinde den Richtungen der Küstennormalen zur Zeit der Termine an
schmiegen, konnte im allgemeinen nicht entnommen werden; es ergab sich aber, abgesehen von den erwähnten
Drehungen der Meereswinde, daß für die Orte mit einer über 45° von Nord liegenden Normale außer Memel
und Keitum wenigstens bestimmt um 2 p ein kleinerer Winkel, innerhalb 4-5° von Nord für die See- und teil
weise auch für die Landwinde anzunehmen ist.
Lokale Einflüsse besonderer Art auf die Windverteilung liegen vielfach vor und konnten mehrfach zur
Erklärung mit herangezogen werden. Der Einfluß der rein mechanischen Ablenkung der Winde durch die