Dr. L. Großmaiin: Die Drehung der Winde an der deutschen Küste etc.
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Archiv 1903 • «3-
läßt, sowie für Wustrow und Rügenwaldermünde, für welche Orte zufolge den Vormittagsänderungen eine
Zunahme zu vermuten war, negativ sind, sondern auch für alle übrigen Orte diese Vorzeichen besitzen,
deuten darauf hin, daß mit einem Nachlassen der Seewinde an der Küste nicht sofort das Wiederhervor-
treten der entgegengesetzten Windrichtungen zu erwarten steht, da die Seewinde landeinwärts absterben und
somit zunächst Windstillen au ihre Stelle treten; die Zahlen von Tafel I des Anhangs lassen das Maximum
der Windstillen am Abend für die Ostsee am deutlichsten hervortreten und lassen es im jährlichen Gange
meist auf die Monate der Seewinde fallen.
Die Aenderungen der Windverteilung für November bis Januar von 2 1 ' bis 8 P zeigen auf Tab. I für
Wilhelmshaven und Borkum wieder geringe Uebereinstimmung rai£ den erwarteten Verhältnissen. Es
treten ja auch sonst noch Abweichungen auf, doch lassen die Zahlen gewiß hervortreten, daß eine Einwirkung
entsprechend einer Zunahme der Landwinde an der Küste vom Nachmittag bis zum Abend i. a. angedeutet ist.
Die großen Werte von Rügenwaldermünde haben bereits vorhin ihre Erklärung gefunden. Den weiteren
Abweichungen nachzugehen, ist wenig versprechend, da es sich hier um zu kleine Unterschiede handelt.
Suchen wir die in Tal). I für Hamburg gegebenen Verhältnisse zu erklären. Die Aenderung zur Zeit
des Seewinds zeigt von 8 Ä bis 2 ?> kein Anwachsen des NE- und keine — wenigstens eine zu geringfügige —
Abnahme des SW-Quadranten, während die beiden anderen Quadranten nicht auffallend hervortreten. Wir
erinnern uns, daß für die West- und die Ostküste von Schleswig-Holstein unter der Einwirkung der See
winde theoretisch vom Morgen bis Nachmittag für die beiden erstgenannten Quadranten Aenderungen der
Häufigkeit verschiedenen Vorzeichens, für die beiden anderen aber gleichen Vorzeichens, Abnahme für den
SE- und Zunahme für den NW-Quadranten hervorgerufen werden. So erklären sich hier die Aenderungen
am Vormittag; die des Nachmittags zeigen aber, daß Seewinde am Abend die Winde in Hamburg viel stärker
als am Nachmittag um 2 l> beeinflussen, da bei den gleichen Vorzeichen der Aenderungen diese an Größe
sehr erheblich zugenommen haben. In Hamburg gelangt der Seewind somit erst in einer späteren Stunde
des Nachmittags oder vielleicht auch erst am Abend zum vollen Durchbruch. In geringerem Grade muß
dies nach den Zahlen auch von Wilhelmshaven gelten.
Nachdem wir in solcher Weise einen Einblick in die Aenderungen der Verteilung der Winde auf die
Quadranten unter dem Einflüsse der See- und Landwinde in der mittleren Verteilung für April bis Juni, sowie
für November bis Januar gewonnen haben, wenden wir uns den Verhältnissen der einzelnen Monate zu,
wie wir sie graphisch in der Tafel unter A und tabellarisch in der Tab. II des Anhangs vorfinden. Die große
Uebereinstimmung der Vorzeichen für alle Monate dürfte überraschend sein und besonders in erster Linie
dartun, daß ein Zeitraum von 25 Jahren für diese Methode der Untersuchung im allgemeinen ausreicht, um
von Zufälligkeiten zu befreien. Memel hat durchweg Zeichenübereinstimmung und schließt sich somit voll
kommen der Theorie an. Um die Uebereinstimmung mit der Theorie sofort hervortreten zu lassen, sind
auf Tab. II des Anhangs alle Zahlen kursiv gedruckt, die der theoretischen Annahme der Zunahme der See
winde oder Abnahme der Landwinde vom Morgen bis Nachmittag und den entgegengesetzten Aenderungen
für den Nachmittag bis zum Abend widersprechen.
Wilhelmshaven zeigt, daß die Richtung der Meereswinde durchweg, also der Land- ebenso wie der
Seewinde, innerhalb 45° von Süd bezw. Nord liegt.
Von den Quadranten paßt sich der SE-Quadrant am besten der Theorie an. Für die Aenderungen
des Vormittags sind alle Vorzeichen bis auf ganz vereinzelte und geringfügige Abweichungen negativ; vom
Nachmittag zum Abend treten größere Abweichungen von der Theorie auf, indem, abgesehen von gering
fügigen Abweichungen, Hamburg und Wilhelmshaven von März bis September — entsprechend der für
die Nordseeküste abgeleiteten späteren Kulmination der Seewinde — Neufahrwasser von September bis
März, Borkum von September bis April negative Unterschiede aufweisen. Diese letzteren Abweichungen
sind so ausgesprochen, daß sie einer Aufklärung bedürfen.
Der NW-Quadrant zeigt am Vormittag bis auf unbedeutende Abweichungen solche hervortretend
für Wustrow von Januar bis März, Wilhelmshaven im ganzen Jahr — entsprechend der abweichenden
Richtung der Meereswinde —, Neufahrwasser von April bis August, und Kiel von April bis Juni; daß
auch in Swinemünde besondere Verhältnisse für diesen Quadranten vorwalten, zeigen die für April bis
August hier auftretenden kleinen Zahlen, und der hier wie in Neufahrwasser und Kiel gegen die iibi-igen
Orte abweichende jährliche Gang.