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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1902 No. 2 —
gesuchten Standlinie definirt durch Festlegung eines ihrer Punkte und ihres Azimutes in diesem Punkte und
dieselbe dadurch für die Nautik vcrwerthbar macht. Nebenher führt uns die Entwickelung noch auf eine
weitere charakteristische Eigenschaft der Standlinie. Zum Schluss (§ 4) erläutern einige Beispiele die prak
tische Anwendung.
§ 2.
In Fig. 1 bedeuten sj und s 2 die Projektionspunkte zweier Gestirne, deren Höhendifferenz beobachtet
ist; z sei der Projekt ionspunkt des Zeniths, i. e. der Beobachtungsort selbst. Trägt man noch die kleinere
у Zenithdistanz zsi auf der grösseren zs 2 von z aus ab, so repräsentirt das Bogen
stück A.s-i — Mi die gemessene Höhendifferenz, und es ist nun der Verlauf
derjenigen Kurve zu studiren, auf welcher der Punkt z auf der Kugeloberfläche
gleiten darf, ohne dass der Unterschied zs 2 — zsi = As> = Mi eine Aenderung
erleidet.
Bezeichnet man die sphärischen Winkel bei ,?i und s 2 bezw. mit q x und q>
und den Bogenabstand s t s 2 der beiden Projektionspunkte mit I), so liest man
aus dem sphärischen Dreieck für die vorgelegte Bedingung sofort die Beziehung ab:
Mi
sin
gi ~ <li
2
fang
2
stn
qi + q-i
. D
lang ---
= Constans
(1)
Der Charakter unserer Standlinie wird wohl am verständlichsten, wenn mau
vorübergehend den Radius der Kugel, auf der die Kurve liegt, unendlich gross
werden lässt, d. h. auf die Ebene übergeht. In dem Falle handelt es sich um
den geometrischen Ort aller Punkte, für welche der absolute Unterschied der
Entfernungen von zwei festen Punkten (Brennpunkten) unveränderlich ist. Die so entstehende ebene Kurve
ist bekanntlich eine Hyperbel. Analog soll auf der Kugel jene Kurve geometrischer Ort sein für alle Punkte
(z, z',...), deren im grössten Kreise gemessenen Abstände von zwei festen Punkten (den Projektionspunkten
der beiden Gestirne s j i und s 2 ) eine konstante absolute Differenz aufweisen. Von dieser „sphärischen
Hyperbel“ mögen einige für unsere praktischen Zwecke in Frage kommenden allgemeinen Eigenschaften an
gedeutet werden.
Zunächst erkennt man, dass auch die sphärische Hyperbel zwei getrennte symmetrische Aeste besitzt
(in Fig. 1 durch eine strichpunktirte und eine feinpunktirte Linie markirt) und findet die auf dem Ver
bindungsbogen der Projektionspunkte und s 2 liegenden Scheitelpunkte festgelegt durch ihre Entfernung
von der Bogenmitte II/:
MO = MO'
,, ^ A h
MSx—Os i - :
demnach 00' — Mi, i. e. die erste oder grosse Axe der Hyperbel, als deren Brennpunkte S[ und s 2 an
gesehen werden müssen. Die Grosskreisbogen (Zenithdistanzen) zs\ und zs 2 entsprechen den Radienvektoren
der ebenen Hyperbel. Während aber letztere und auch der Sumner’sche Kreis eine Kurve repräsentirt,
deren Punkte derselben Ebene angehören, gilt dies natürlich nicht mehr von unserer Hyperbel: sie ist viel
mehr eine Raumkurve doppelter Krümmung und ihre Punkte müssen noch die Forderung erfüllen, dass sie
alle auf der Oberfläche derselben Kugel gelegen sind. Die Aeste dieser als Schnittkurve eines Kegels zweiter
Ordnung mit einer Kugel definirten sphärischen Kurve werden in ihrem Verlauf, der, wie leicht ersichtlich,
in maximo nur über etwa 90° im Bogen grössten Kreises beiderseits vom Mittelpunkt M für die Nautik In
teresse hat, ein Verhalten zeigen, welches es zulässt, dass wir ein kleines Stück der neuen Standlinie — und
die Praxis bedarf ja nur eines solchen — mit dem gleichen Grade der Annäherung als geradlinig auffassen
dürfen, wie dies bei einem linear ebenso kleinen Bogen des Sumner’sehen Kreises geschah. Die Annahme
wird erst dann versagen, wenn der Beobachtungsort in die Nähe des Scheitels der Hyperbel rückt, d. li. im
allgemeinen, wenn die Sterne entgegengesetzt gleiches Azimut aufweisen und zugleich der eine oder beide
dem Zenith sehr nahe stehen; letzteres trifft aber in gleichem Maasse für den Sumner’schen Kreis zu: sein
sphärischer Radius darf eben nicht zu klein werden. Die Frage, auf welchem der beiden getrennten Aeste