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Full text: 24, 1901

W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen. 
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man sie vorsichtig ein; liegen sie am Boden, so muss eine Person den Draht so weit als möglich verfolgen, 
wenn thunlich, das Instrument bergen, und dann den Draht in Spannung erhalten, während eine zweite 
Person ihn vorsichtig auf der Haspel aufwindet. Sachverständige Hülfe ist in solchen Momenten ganz be 
sonders erwünscht. Am unangenehmsten ist die Lage, wenn der Draht über Wege oder über Wiesen, wo 
Vieh weidet, fällt; in diesem Falle kann man zuweilen Zuschauer, besonders Knaben, zur Bewachung des 
Drahtes bis zu seiner Einholung benutzen; geht Vieh über den Draht, so ist die Bildung von Kinken fast 
unvermeidlich, liegt der Draht über einen Weg, so können noch unangenehmere Folgen durch Verletzung 
von Pferden oder Fussgängern entstehen. Die Bergung des Drahtes kann man unter Umstünden beschleu 
nigen, wenn man den lose liegenden Draht mit zwei Händen in losen Hingen von möglichst gleichmässigem 
Durchmesser zusammenfasst. Bei umsichtiger Behandlung kann man ihn so ohne die höchst störende Tor 
sion zu einem Kranz legen und später aufwinden. 
Was den fortgeflogenen Drachen betrifft, so wird man in belebter Gegend gewöhnlich am besten tliun, 
zunächst einfach die Nachricht von dessen Auffindung abzuwarten, die in der Kegel nach wenigen Stunden 
schon eintrifft — vorausgesetzt, dass eine genügende Aufschrift auf dem Drachen ist. Wenn man freilich 
sieht, dass der Drache sich verankert hat, oder guten Grund hat anzunehmen, dass er dies ausser Sicht 
weite gethan hat, wird man natürlich Sorge tragen, dass sicli Jemand auf die Suche nach dem Drachen 
begiebt, sobald einer beim Bergen des Drahtes entbehrt werden kann. Dass bei diesem Suchen das Tele 
phon sehr gute Dienste leisten kann, wenn ein solches auf dem Drachenplatze ist, hat sich in Berlin bei 
Gelegenheit des Unfalles vom 26. Juli 1900 gezeigt. Der Suchende muss, bis er die Spur des Flüchtlings 
gefunden hat, immer wieder auf der Drachenstation anfragen, ob keine Nachricht über diesen dorthin gelangt 
ist. Wie man am besten verfährt , wenn ein Drachengespann mit vielen hundert Metern Draht auf einem 
mehrere km entfernten Dache oder dergl. sich verankert hat, vermag ich freilich nicht zu sagen, weil der 
Fall mir noch nicht vorgekommen ist. Jedenfalls wird man gut thun, beim Aufbruch auf die Suche nach 
dem Drachen starke Schnur, die Landungsrolle und einige Klemmen mitzunehmen, da man nur mit ihrer 
Hilfe den Draht fest fassen kann. Auch wird es gut sein, für alle Fälle eine transportable leichte, aber 
feste Trommel mit Kurbeln zu haben, die passend verankert werden kann, um den Draht darauf aufzuwinden; 
diese würde man im Bedarfsfälle von der Drachenstation herbeiholen können. 
Sind die Drachen nicht abgerissen, sondern herabgefallen, so sucht man vor allem, nachdem man die 
Drachen abgelöst und den Meteorograph in Sicherheit gebracht hat, den Draht regelrecht auf den Haspel 
zu bringen. 
Da der Bruch einer oder der andern Leiste beim Landen der Drachen ein häufiges und unvermeidliches 
Vorkommniss ist, so ist es wichtig, die Drachen so zu bauen, dass ihre Reparaturen möglichst wenig Zeit 
kosten, auch wenn die Konstruktion selbst dadurch etwas umständlicher wird. Deshalb ziehe ich das System 
des Marvin-Drachens, in welchem alle Drähte feste Längen haben und mit Augen an den Enden versehen 
sind, die in einem Augenblick von ihren Heftstellen gelöst und wieder auf diese gebracht werden können, 
und wenigstens die Längsstöcke jeder einzeln durch Lösen von Schrauben herausgenommen werden können, 
allen anderen, im Bau einfacheren, Systemen vor, bei denen im Falle einer Reparatur ein viel stärkeres 
Lösen und ‘Wieder-Anpassen der Theile erforderlich ist. Bei der „Froschform“ meines neuen Treppen 
drachens habe ich jenes System dahin erweitert, dass ausser den 4 so angeschraubten Leisten fast garkeine 
brechbaren Theile vorhanden sind. Ein Bruch von Drähten im Drachen ist im Betriebe der Seewarte nur 
in sehr wenigen Fällen vorgekommen, z. Th. daher, weil die Drähte recht stark, nämlich 0.7 mm, genommen 
sind, grösstentheils von havarirten Tlieilen der Drachenleine. Der Unterschied im Luftwiderstand und im 
Gewicht bei dünneren Drähten ist, wie ich glaube, diesem Vortheil gegenüber belanglos. 
Liegt eine einfache Knickung im Holz oder ein langer Bruch vor, so wird man gewöhnlich schneller und 
ebenso gut zum Ziele kommen, wenn man den betr. Stock nicht ersetzt, sondern durch Auflaschen eines 
passenden Plolzstücks zurecht macht. Das richtige Laschen ist eine Seemannskunst, die man im allgemeinen 
nur durch Absehen und Uehung erlernen kann. Umständliche Beschreibungen würden hier wenig nützen.
	        
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