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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —
Andere gute Knoten zu bestimmten Zwecken sind der doppelte Pahlstek zum Bilden einer Schlinge in
einer Schnur ohne Ende, bezw. deren Enden fest sind, der Trompetenstek zum Verkürzen einer Schnur, u. a. m.
Bei genauerer Prüfung findet man, dass auch bei Knoten dasselbe Prinzip gilt, das wir bei den Draht
verbindungen näher werden ins Auge fassen müssen, nämlich, dass die gefährliche Stelle die ist, wo die
Schnur beim Eintritt in den Knoten und noch ohne „bekniffen ;i zu sein, d. h. ohne durch Reibung einen
Theil ihrer Spannung an benachbarte Theile abgegeben zu haben, einer scharfen Krümmung unterliegt. Die
Bruchstelle ist in den obigen Figuren mit a bezeichnet. Die grosse Zerreissfestigkeit des Palilsteks und des
Fischermanns-Knotens beruht eben darauf, dass die Krümmung an den bezeichneten Stellen allmählicher
erfolgt, als in anderen Knoten, besonders als in Fig. 60, wenn dieser, wie gewöhnlich, einem Zuge in den
Pfeilrichtungen unterliegt. Beim Pahlstek muss deshalb die a umgebende Schleife nicht scharf zugezogen
werden (wie Anfänger es wohl thun); ein Slippen bezw. Schlieren des Knotens ist nicht zu befürchten,
durch scharfes Zuziehen dieser Schleife wird aber die Krümmung in a verschärft. Beim Paeketknoten ist
dieser Einfluss der Krümmung leicht zu erkennen: bei rauhen Gegenständen, um die die Schnur nicht gleiten
kann, macht es einen Unterschied, unter welchem "Winkel das längere Schnürende hinter a gezogen wird;
es reisst merklich leichter, wenn es (s. Fig. 64) nach rechts, als wenn es nach links gezogen wird, weil der
Knick in a im ersteren Falle schärfer ist.
Ein Mittelding zwischen der Schnur und dem Stahldraht bilden die geflochtenen Kabel aus dünnen
Stahldrähten, die neuerdings in so geringer Dicke — bis 2 oder 3 mm herab — hergestellt werden, dass
sie auch für Drachenzwecke zu verwenden sind. Sie sind viel besser zu behandeln, als der Draht, da sie
weit weniger Elastizität zeigen und nicht so leicht Kinke bilden, müssen aber, um gleiche Festigkeit zu
haben, wie der Draht, bedeutend grösseren Durchmesser erhalten, als dieser, und sind daher nur für kurze
Stücke, zum Ersatz der Hanfschnur, geeignet, da sie, an Stelle des Drahts gesetzt, wegen des Drucks des
Windes auf eine solche Leine bei weitem nicht so grosse Höhen zu erreichen gestatten würden.
c) Der Dvalit. Für den Haupttheil der Leine, die den Drachen oder das Drachengespann mit der
Erde verbindet, wird jetzt allgemein harter Stahldraht, sogenannter Musikdraht*), angewendet, gewöhnlich
von einem Durchmesser von 0.7 bis 0.9 mm. Da von der Festigkeit und dem Gewicht des Drahtes die
erreichbare Höhe und das Wesen der Drachenaufstiege überhaupt abhängen, so finden sich diese Fragen
bereits im zweiten Abschnitt dieses Berichts auf Seite 17 behandelt.
Bei den Versuchen der Seewarte ist Draht von 0.7, 0.8 und 0.9 mm Durchmesser zur Verwendung
gekommen; 1898 nur die dünne, 1899 grösstentheils die dickeren Sorten, seit dem Oktober 1900 wieder
vorwiegend die dünneren. Der Querschnitt und dementsprechend das Gewicht und die Festigkeit der 0.8 mm
dicken Sorte ist anderthalb mal so gross, wie diejenigen des 0.7mm-Drahtes. In den Jahren 1898 und 1899
wurde unverzinkter, 1900 und 1901 verzinkter Draht verwendet; ersterer ist zwar etwas stärker, aber durch
sein leichtes Rosten und die daraus entspringende Nothwendigkeit, ihn beständig unter einer Oelhaut zu
halten und durch den beständigen Kampf gegen die Feuchtigkeit viel unbequemer, als der verzinkte. Letzterer
ist dem Rosten weit weniger ausgesetzt, wenn es auch immerhin zu empfehlen ist, ihn beim Aufwickeln
nach einem Aufstieg im Regen stets trocken zu wischen und leicht einzuölen.
So vorzüglich der harte Stahldraht sich bewährt, so lange er unter starker Spannung ist, so unange
nehm ist er zu behandeln, wenn er nicht gespannt ist. Er wirft sich dann, da er nie ganz ohne Torsion
ist, in Ringe, die bei eintretendem Zuge zusammengezogen werden und scharfe Knicke, seemännisch „Kinke“
genannt, bilden (s. Fig. 69). Sobald eine wirkliche Kink sich zeigt, ist die Festigkeit des Drahtes an dieser
Stelle so beeinträchtigt, dass nichts übrig bleibt, als ihn zu zerschneiden und das abgeschnittene Stück
entweder zu opfern oder, wenn dieses lohnt, in der sogleich anzugebenden Weise anzuspleissen. Nur ganz
schwache Knickungen, die man noch mit den Fingern gerade biegen kann, können als ungefährlich gelten,
eine Kink bricht schon, wenn man sie zurechtbiegen will oder doch bei der ersten starken Anspannung.
Den Draht lasse man sich von der Fabrik auf Spulen gewickelt liefern, nicht in Kränzen, deren Auf
wickeln auf die Trommel der Drachenwinde sehr viel Mühe macht, weil dabei sehr leicht einzelne Ringe
enger gezogen werden und andere lose springen, die dann von den ersteren beim Abwickeln nicht vorbei
gelassen werden. Die seit 1900 bei Felten & Guilleaume, Mülheim a. Rh., bezogenen Drahtspulen aus
*) Der seit 1900 von Felten & Guilleaume, Carlswerk, A.-G., Mülheim am Rhein, bezogene Draht wird von dieser
Fabrik als verzinkter Patent-Gussstahl-Klaviersaitendraht bezeichnet.