W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen.
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ohne etwas an der Kraft des Drachens beim Aufstieg einzubüssen. Man braucht nur die Uhr des Registrir-
apparates nach einer vorher bestimmten Zeit, wann man das Einholen beginnen will, eine Schnur durch-
schneiden zu lassen, welche den hinteren Theil der Bucht durch eine Schlinge verkürzt, so dass von da ab
der Drachen sich um so viel, als man wünscht, flacher legt — unabhängig von der weiteren Abnahme seines
Einfallswinkels bei Verstärkung des Windes. Bei der Anbringung des Registrirapparates im Innern des
Hargrave-Drachens, wie sie am meisten zu empfehlen ist, kann dieses mechanisch geschehen. Statt die
Bucht nach einer gewissen Zeit, z. B. nach drei Stunden, flach zu machen, kann man dieses eventuell auch
nach einem bestimmten Windwege thun, um bei schwacher Luftströmung das Flachlegen des Drachens, das
stets mit einem starken Fallen des Drachens verbunden ist, zu vermeiden, da dann ja der Zug überhaupt
nicht stark ist.
b) Schnüre und Knoten. Obwohl in allen Fällen, wo es auf Hochaufstiege ankommt, für die
Hauptleine Metalldraht die Pflanzenfaser unbedingt verdrängt hat, bleibt für kurze Verbindungsstücke, wo
es auf das grössere Gewicht und Volumen nicht ankommen kann, Schnur so viel bequemer, dass sie neben
dem Draht ihre Bedeutung behalten wird, wenn auch die dünnen Stahlkabel jetzt in solcher Güte in Bezug
auf Festigkeit und Biegsamkeit hergestellt werden, dass sie zu manchen Zwecken die Schnur mit Vortheil
ersetzen können. Namentlich wo ein Handhaben in der Hand nöthig ist, lässt sich Draht kaum verwenden.
Die Ankoppelung des Drachens an den auf der Winde aufgewickelten Draht geschieht am besten mittels
eines „Vorläufers“ von Schnur, der in vielen Fällen zwar ganz kurz, kaum meterlang, sein kann, aber in
manchen Fällen auch 60 bis 100 m lang genommen werden muss, wenn z. B. die Lage des Ortes bei gewissen
Richtungen des Windes es nicht gestattet, den Drachen von der festen Stelle der Winde selbst aus aufzu-
fieren, in welchem Falle es immer noch bequemer bleibt, den Drachen aus der Hand zu lassen und erst,
wenn er zum „Stehen“ gekommen ist, mit ihm zur Winde hinzugehen,*) als die Winde zu transportiren.
Unter allen Umständen ist es notliwendig, dass der mit Drachen Hantierende auch mit Schnüren und Knoten
Bescheid weiss.
Als Material kommt hauptsächlich Hanf und Ramie in Betracht. Die Zerreissfestigkeit der letzteren
seidenähnlichen Pflanzenfaser soll laut freundlicher Mittheilung des Herrn Prof. Dr. Sadebeck, hier, die des
russischen Hanfes sogar im Verhältniss von 7 zu 4 übertreffen (nach Hanausek und llassack). Eigene
Zerreissversuche an Proben, die ich mir verschaffte, haben mir allerdings nur einen geringen Vorzug der
Ramie vor dem Hanf ergeben, der den viel höheren Preis nicht aufwiegt, sofern das schönere Aussehen
dieser Schnüre nicht ins Gewicht fällt. Ich habe mich deshalb mit Hanf begnügt. Die Erfahrung hat da
bei gezeigt, dass für jedes Quadratmeter Drachenfläche etwa Vj% Quadratmillimeter Schnurquerschnitt ein
passendes Verhältniss ist. Daraus ergiebt sich:
für eine Drachenfläche von 2 qm 5 qm 8 qm
ein Schnurquerschnitt » 3 qmm 7 Vj qmm 12 qmm
eine Schnurdicke (Durchmesser) * 2 mm 3 mm 4 mm
Wo es sich nur um kurze Verbindungsstücke zwischen Draht und Drachen handelt, das Gewicht also
keine Rolle spielt, thut man auf alle Fälle besser, die Schnur beträchtlich stärker zu nehmen. Bei längeren
Leinen kann man sich auch nach der jeweiligen Windstärke einrichten.
Ich habe stets Schnüre von i l U, 2, 3 und 4 mm Durchmesser verwendet. Allzuviel Abstufungen machen
das Auseinanderhalten schwierig. Geflochtene Schnüre sind etwas schwächer, als gedrehte, weil die kreuz
weis übereinander liegenden Fäden einander schneiden.
Es ist übrigens bei den hiesigen Versuchen vorgekommen, dass die 4 mm-Schnur in einer Regenböe
bei einem Druck gerissen ist, der sicherlich weit unter 100 kg betrug, und nicht in einem Knoten, sondern
in ihrem Verlaufe. Im Bruche zeigte sich die eine der drei Duchten dunkelbraun, wie angebrannt. Wahr
scheinlich hat man es hier mit der Wirkung von elektrischen Funken bei ungleichmässiger Benetzung der
Schnur zu thun. Wenigstens hat mir auch Herr Teisserenc de Bort erzählt, dass in seinen Versuchen die
Zerstörung der Schnur durch elektrischen Funken ohne Gewitter vorgekommen ist.
*) Bei schwachem Winde kann ein Mann bequem den Zug von etwa 7 qm Drachenfläche beherrschen, bei starkem, wo
dies nicht möglich, ist dafür auch weniger Raum zum Auffieren der Drachen erforderlich.